Im Interview dieser Ausgabe unterhalten sich Katharina Rahlf und Volker Best von INDES mit Astrid Séville und Julian Müller über die Bedeutung von Sprache in der Politik. Anhand von aktuellen Beispielen der politischen Kommunikation zeigen sie Veränderungen und Trends im politischen Umgang mit Sprache auf.
Entgegen der Forderung „Handeln statt Reden“ rückt Kari Palonen mit seinem Beitrag die Debatte in das Zentrum parlamentarischen Handelns. Begriffsgeschichtlich beleuchtet er, worin der politische Wert der parlamentarischen Debatte liegt und was ihr zugrundeliegendes Erkenntnis- und Urteilsmodell weiterhin impliziert.
Mit der Analyse des rhetorischen Seiltanzes zwischen den mythisch-kraftvollen Worten Zukunft und Fortschritt und der Scheu vor Floskeln beleuchtet Vazrik Bazil die Rede als (politisches) Macht- und Orientierungsinstrument – und als Wagnis, das die Möglichkeit des Missverstehens stets riskieren muss. So geht er der Frage nach einer guten Rede sowie nach guten Redner:innen auf den Grund und wie diese Beurteilung durch Erwartungen und Status beeinflusst wird.
Was für eine Rolle spielten Gerüchte in der politischen Willensbildung der attischen Demokratie? Christopher Degelmann beleuchtet den Einsatz von Halbwahrheiten und Gerüchten auf den politischen Bühnen der griechischen Polis und vergleicht den antiken Umgang mit den aktuellen Debatten um Fake-News. Denn der Tratsch der Athener bietet uns auch eine andere Perspektive auf unsere Situation.
Wie „fix“ ist Sprache? Und kann man die „richtige“ Sprache verordnen? Darüber, wie und unter welchen Voraussetzungen sich Sprach wandelt und welche Rolle dabei verschiedenen Akteur:innen und Institutionen zukommt, informiert Katharina Jacob in ihrem Beitrag.
Warum findet sich auf den Homepages der Parteien und/oder der ihnen nahestehenden Stiftungen eine Darstellung der Parteigeschichte? Torsten Oppelland schildert die Bedeutung historischer Narrative für Parteien und analysiert, welche Erzählung von ihrer eigenen Vergangenheit verschiedene deutsche Parteien pflegen – und welche Ereignisse sie lieber ausblenden.
Gegen den allgegenwärtigen „Framing“-Begriff bringt Martin Wengeler in seinem Beitrag das fast fünfzig Jahre alte linguistische Konzept „politische Schlagwörter“ in Stellung und demonstriert dessen terminologische Reichhaltigkeit anhand konkreter Beispiele.
Wir leben in einem Zeitalter des Zynismus – so lautet Fabian Schäfers Gegenwartsdiagnose. Welche Rolle dabei Soziale Medien spielen, wieso aus grenzüberschreitendem Humor eine Gefährdung der Demokratie erwachsen kann und warum gerade politische Zyniker:innen, die sich der herrschenden Ordnung widersetzen, ein äußeres Moralsystem brauchen, erläutert der Autor in seinem Beitrag über „konnektiven Zynismus“.
Warum eine Autofahrt entlang der belgischen Sprachgrenze ob des französisch-niederländischen Sprachenwirrwarrs surrealen Charakter hat, schildert Christoph Driessen. Der Autor spürt den weit zurückreichenden Wurzeln des belgischen Sprachenstreits nach und rekapituliert die Geschichte eines häufig missverstandenen Landes, die in die heute Selbstisolierung der beiden Sprachgemeinschaften – der französischsprachigen Wallonen und der niederländischsprachigen Flamen – mündet.
Warum die Lauten nicht immer den (politischen) Ton angeben sollten und was wir stattdessen von introvertierten Charakteren lernen können, exploriert Antje Kunstmann. Aus der Betrachtung von introvertierten Stärken wie des Zuhörens, der Selbstreflexion oder des gründlichen Nachdenkens formuliert sie ein Plädoyer für mehr Schweigen in der Politik.
Warum auch die Sprache von blauen Außerirdischen seit dem Klingonischen „echt“ sein muss, beantwortet Paul R. Frommer und zeichnet in diesem Zuge nicht nur die Geschichte des Conlangings nach, sondern auch seine umfassende Entwicklung der fiktiven Sprache Na'vi aus den Avatar-Filmen.
Parteitage sind professionell durchchoreografierte Veranstaltungen, bei denen wenig dem Zufall überlassen bleibt. In Zeiten des permanent campaigning kann ein gut organisierter Parteitag als Lackmustest für die Regierungsfähigkeit gelten. Auch Musik ist Kommunikation und die Texte der Musikstücke beim CDU-Bundesparteitag 2022 in Hannover erlauben Rückschlüsse auf die Situation der Partei. Sie zeigen: Der in 16 Merkel-Jahren weichgespülten Programmatik sollen in der Opposition wieder markante Akzente verpasst werden.
Thorsten Hasche entwirft eine kritische Zeitdiagnose und entfaltet die Krise der liberal-westlichen Hegemonie aus den historischen Konfliktlinien heraus. Was verraten uns die gegenwärtigen, jedoch historisch gewachsenen Konfliktfelder - etwa die Entwicklung des Irans oder der russische Angriffskrieg auf die Ukraine - über alternative Interpretationsmuster und eine mögliche Schließung der Lücke in der Weltordnung?
Nicht zuletzt auf der documenta fifteen erschien Kunst mit dem Spannungsfeld von Political Correctness und Cancel Culture öffentlich konfrontiert. Charlotte Hüser verdeutlicht diesen Zusammenhang anhand etwaiger Beispiele zu Themenfeldern von Rassismus über Sexualität und Gewalt. Ein Plädoyer gegen die (Selbst)Zensur der Kunst – und für das Aushalten auch von „extremer“ Kunst und das Zulassen von Debatte, Interpretationsvielfalt und Selbstreflexion.