Bebels goldene Taschenuhr Oder: Historische Narrative deutscher Parteien

Von Torsten Oppelland

Am 18. Dezember 1966, seinem 53. Geburtstag, wurde dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt im Rahmen einer großen Parteikonferenz in Bad Godesberg von Herbert Wehner, einem seiner Stellvertreter im Parteivorsitz, eine goldene Taschenuhr übergeben, die einst dem legendären Parteigründer und -vorsitzenden August Bebel gehört hatte. Ob dies als persönliches Geburtstagsgeschenk gemeint oder daran die Erwartung geknüpft war, dass Brandt die Uhr nach Ende der Amtszeit seinem Nachfolger im Parteivorsitz weitergeben werde, blieb etwas im Vagen. Brandt hatte es offenbar im letzteren Sinne verstanden, indes nicht danach gehandelt, als er unter etwas unschönen Umständen 1987 nach fast 25 Jahren vom Vorsitz der SPD zurücktrat. So ist die Uhr schließlich mit Brandts Nachlass im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung gelandet.[1]
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[1] Vgl. https://erinnerungsorte.fes.de/august-bebels-uhr/. Dort ist auch der an der Anekdote etwas verwirrende Aspekt beschrieben, dass Brandt selbst, damals noch als stellvertretender Parteivorsitzender, von Vertretern der Sozialdemokratischen Partei Zürichs genau diese Uhr ausgehändigt bekommen hatte, als er 1963 anlässlich Bebels 50. Todestages zu dessen dortiger Grabstätte gereist war. Brandt hatte die Uhr dann der SPD-Bundesgeschäftsstelle in Bonn übergeben, drei Jahre später kehrte sie dann aus der Hand Wehners zu ihm zurück.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.  1-2023 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2023