Im Gespräch mit INDES unternimmt der Sportsoziologe Gunter Gebauer einen Parforceritt durch historische und aktuelle Facetten der Kulturtechnik Sport. Von Turnvater Jahn bis zu ethischen Fragen der Gegenwart, von der lebensweltlichen Funktionen für den Einzelnen, wandelnde Körperlichkeit bis hin zu Instrumentalisierungen durch die internationale Politik.
Wie wird durch bestimmte Sportarten und -veranstaltungen kollektive Identität hergestellt? Dieser Frage widmet sich der Historiker Wolfram Pyta anhand einiger historischer Beispiele.
Welche Rolle spielten Juden in der Gründungsphase des deutschen Fußballs um 1900? Wie wurden sie nach 1933 aus den Vereinsstrukturen herausgedrängt und wie organisierte sich in der Zeit der Verfolgung notgedrungen ein eigenständiger jüdischer Fußball? Lorenz Pfeiffer und Henry Wahlig widmen sich in ihrem Beitrag diesen und anderen Fragen rund um ein in der Fußballnation Deutschland oft verdrängtes Thema.
Junge Menschen waren im besetzten Elsass sportlich aktiv. Doch von der freiwilligen Freizeitaktivität entwickelte sich der Jugendsport schnell zu einem Kontroll- und Disziplinierungsinstrument der Besatzungsmacht wie Jan Hassnik illustriert durch Einzelschicksale in seinem Beitrag darlegt.
Anders als es vielen erscheinen Mag: Fitness ist kein junges Phänomen. Beginnend mit der Dualität von Turnen und Sport im 19. Jahrhundert zeichnet Bernd Wedemeyer-Kolwe dessen unterschiedliche Konjunkturen nach, um im Anschluss eine soziologische Einordnung vorzunehmen.
Maike Cotterell und Henning Vöpel beschreiben in ihrem Beitrag das ambivalente Verhältnis der gesellschaftlichen Bereiche Sport und Ökonomie, wobei sie nicht nur kritisch hinterfragen, was die zunehmende Kommerzialisierung der Funktionen und Erscheinungsformen von Sport als einem zentralen gesellschaftlichen Kulturgut für seinen ursprünglichen Anspruch bedeutet, gerade nicht markförmigen Prinzipien zu gehorchen, sondern daran anschließend auch nachdenken über die notwendige Regulierung von Sportmärkten mit ihren teilweise gesellschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden monetären Entgrenzungen etwa in diversen Profisportligen.
Lutz Hagen und Reimar Zeh konstatieren wie sehr der Sport durch die Logiken der modernen Massenmedien geprägt wurde und wird. Ein derart medialisierter Sport wiederum ist umso attraktiver für Instrumentalisierungen durch die Politik.
Spielen Manager Golf und Arbeiter Fußball? Steigt die Sportaktivität mit dem Bildungsgrad? Treiben Männer mehr Sport als Frauen? Sind Migranten in Sportvereinen gleichermaßen vertreten wie »autochthone Deutsche«? Und wenn sich solche Differenzen zeigen: Wie sind sie zu erklären und zu bewerten? Handelt es sich um frei gewählte, individuelle Präferenzen oder um soziale Determinierungen, die dazu führen, dass bestimmte soziale Gruppen beim Zugang zum Sport allgemein benachteiligt bzw. vom Zugang zu spezifischen Formen des Sporttreibens ausgeschlossen werden?
Dass es schwule Männer im männerbündischen System Fußball nach wie vor nicht geben darf, schlussfolgert Katja Sabisch aus ihrem analytischen Ins-Verhältnis-Setzen der formal vom DFB zwar geforderter Ächtung von Homophobie im Fußball einerseits und andererseits des durch die mediale Öffentlichkeit hergestellten Problembewusstseins für Homosexualität und Outing vor allem im Profifußball, wofür sie seit Mitte der 1990er Jahre erschienene große Tages- und Wochenzeitungen einer eingehenden Diskursanalyse unterzog. „Tabuisierte Männlichkeit“, so Sabisch, ist ein strukturelles Problem im System Fußball, das durch schwule Outings sogar regelrecht stabilisiert, jedenfalls affirmiert und in seiner Heteronormativität streng geschlossen wird.
In seiner Analyse der rechten Kampfsportszene, die sich gegenwärtig mittels eines brutalen Potpourris diverser Kampfsportarten, den sogenannten Mixed-Martial-Arts (MMA), in Kampfturnieren regelmäßig misst, womit sie sich eigentlich auf den Tag X vorbereitet, stellt Robert Claus eine augenfällige Parallele zum Fitnessboom der Mehrheitsgesellschaft fest, der einer Neoliberalisierung des Gesundheitsbereichs folgt. Hier wie dort geht es um individuelle körperliche Leistungssteigerung. Hier wie da agieren findige Marktakteure, die umsatzstark ihre Produkte an die leistungswilligen Kunden verkaufen wollen. Im Falle der Neonazis reichlich bigott, denn während deren alternative Sportszene cleane abstinente Kämpfer heranzüchten will, die bereit sind für den Tag X, floriert nicht nur auf großen neonazistischen Festivals das Geschäft mit Drogen. Geeint werden sie aber vor allem durch gewalttätige Männlichkeit.
Anhand der Person Mohammad Ali, geboren als Cassius Marcellus Clay, zeigt Sven Güldenpfennig das emanzipative Potenzial eines Sports auf, der sich gegen seine politische Instrumentalisierung wehrt und im Falle der Boxlegende eben gerade in seiner immanenten Widerständigkeit und seinem ästhetisch-künstlerischen Eigensinn enorme politische Wirkkraft entfalteten konnte.
Deniz Ertin beleuchtet in seinem Beitrag Gefahrenpotenziale sozialer Medien im Hinblick auf Demokratie und Rechtsstaat, bleibt jedoch nicht bei diesen stehen. Vielmehr stellt er gleichsam die Chancen einer notwendigen Regulierung medialer Kommunikation und der im medialen Kontext entstehenden neuen Öffentlichkeit hervor.