Inhalt

Editorial

Schwerpunkt

Angela Siebold

Die Zeitgeschichtsforschung und die Zäsur 1989 Chancen und Verantwortung einer (fast) abgehängten Disziplin

Der Beitrag kritisiert die zurückhaltende Erforschung der politischen Wende von 1989 durch die akademische Zeitgeschichte, die aus der Sicht der Autorin einer undifferenzierten Wende-Euphorie einerseits und einer rechtspopulistischen Vereinnahmung der Friedlichen Revolution andererseits Vorschub geleistet hat. Angela Siebold postuliert, dass eine kritische, offene und langfristige Historisierung und Kontextualisierung der Wende solchen einseitigen Deutungsmustern entgegenwirken sollte, was jedoch nur gelingen könne, wenn die professionelle Zeitgeschichtsforschung den Elfenbeinturm verlässt und sich stärker als bislang um die Vermittlung ihrer Forschungsergebnisse gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit bemüht.

Clemens Villinger

Von Erfahrungen und Erwartungen Konsum und der Systemwechsel von 1989/90

Welche Rolle spielten Konsummuster und Konsumerwartungen der DDR-Bürgerinnen und -Bürger im Zuge der Revolution von 1989 und in den ersten Umbruchsjahren? Und wie „westlich“ waren diese Konsummuster bereits vor 1989? Clemens Villinger liefert wichtige und für das heutige Verständnis Ostdeutschlands notwendige Einblicke in eine sich nur langsam schließende Forschungslücke – die lange Geschichte der Wende.

Ralph Jessen

Immer wieder montags Warum wir über eine populistische »Volks«-Erinnerung reden müssen

Der Beitrag analysiert die rechtspopulistische Referenz auf die friedlichen Proteste in der DDR vom Herbst 1989, die von Bewegungen wie »PEGIDA« als symbolische Ressource einer Fundamentalopposition gegen die liberale Demokratie der Bundesrepublik in Stellung gebracht werden. Ein Grund für den Erfolg dieses narrativen Musters ist die Bedeutungsvielfalt des Volksbegriffs, die bereits während der Friedlichen Revolution ihre mobilisierende Kraft entfaltete: Die Parole »Wir sind das Volk« bedient neben Einheitssehnsüchten auch antielitäre und anti-institutionalistische Gefühlslagen gleichermaßen und gibt damit einem populistischen Politikverständnis Raum. Die antielitäre Dimension des Protests bediente in den Transformationsjahren nach der Wiedervereinigung die Etablierung eines populären Opfernarrativs: Das ostdeutsche Volk, so die Erzählung, wurde zuerst von den kommunistischen Herrschern und danach von den »importierten« West-Eliten betrogen. Dieses in Ostdeutschland weitverbreitete Gefühl einer anhaltenden Benachteiligung wird von Rechtspopulisten derzeit erfolgreich ausgenutzt.

Tilman Mayer

Eine historische Zäsur Die Aktualisierung der Nation durch 1989

Dass nicht die alte Bundesrepublik untergegangen sei, sondern die Erneuerung der Nation durch die Revolution von 1989 nicht nur linke Lebensirrtümer widerlegt habe, sondern die Beendigung des Kommunismus auf deutschem Boden vor allem eine erfolgreiche Übernahmegeschichte von Errungenschaften der Bonner Republik sei, zu dieser Deutung kommt Tilman Mayer in seinem Beitrag zu 1989.

Thomas Jäger

Eine brandgefährliche Lage Wohin entwickelt sich die internationale Ordnung?

Die Rufe nach dem Ende des Westens und seiner Vormachtstellung sind schon seit einiger Zeit zu hören. Ebenso wird das Wiederaufflammen des Kalten Krieges beschworen. Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger geht dem in seinem Beitrag nach und analysiert die aktuelle internationale Ordnung, die neue Akteure wie China mit einschließt. Welche Veränderungen haben sich ergeben? Wo verlaufen neue und alte Konfliktlinien? Wer vertritt welche Positionen? Und wo steht die EU?

Markus Decker

Chance für einen Neubeginn? Über Bürgerrechtler, die Gedenkstätte Hohenschönhausen und die Nach-DDR-Zeit

Driften ehemalige Bürgerrechtler nach rechts? Oder ist diese Annahme verallgemeinert? Markus Decker spürt in seinem Beitrag dem nach, ohne die divergierenden politischen Positionen der Bürgerrechtler aus den Augen zu verlieren. Dabei verweist er sowohl auf die Gedenkstätte Hohenschönhausen als auch auf Gefühlslagen, welche das politische Klima und die Aufarbeitung nach 1989 dominieren.

Perspektiven

Impressum