Der Sozialpsychologe Harald Welzer spricht u.a. über die Hürden ökologischen Wandels. Die Menschen stünden nicht unter genügend Handlungsdruck, seien in ihrer Herausforderung ökologischer Verhaltensweisen nicht radikal genug. Klimakonferenzen hätten mit ihrem simulativem Charakter die Ökologiebewegung teilweise paralysiert. Nonkonforme oder auch widerständige Menschen hingegen seien in der Lage, neue Handlungsräume zu erkennen.
Zwischen kreativen Querdenkern und nervtötenden Querulanten: Die Figur des Störenfrieds mag man willkommen heißen oder aber zum Schweigen bringen wollen – wohin man tendiert, hängt nicht nur von deren Gebaren ab, sondern auch davon, wie es um die bestehende Ordnung bestellt ist, ob also bleierne Zeiten herrschen oder blühende Landschaften. Dieter Thomä schlägt eine Typologie politischer Störenfriede vor.
Der Intendantenwechsel der Volksbühne in Berlin von Frank Castorf zu Chris Dercon hat eine breite Debatte über Neoliberalismus, Gentrifizierung, lokale Identität und die Marktkonformität des Kulturbetriebs entfacht. Hanna Klimpe zeichnet am Beispiel dieser Personalie die Hintergründe und Chronik dieser Kontroverse nach. Sie argumentiert, dass die journalistische Berichterstattung und die Beiträge in den sozialen Medien über den Intendantenwechsel die Konstruktion von Feindbildern verstärken und dabei eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Rolle sowie Transformationen von Kulturinstitutionen verhindern würden.
Jennifer Ramme erörtert die Frage, inwieweit Kunst politisch sein kann, und verweist dabei auf die mit dieser Frage verbundenen Hürden. Ist der Kunst möglich, in gesellschaftsgestaltende Prozesse einzugreifen oder diese gar in Gang zu bringen? Ist der Kunst überhaupt möglich, Widerstand zu sein? Die Kulturwissenschaftlerin hinterfragt im Zuge dessen die Funktion und Verortung der Kunst.
Anhand der Biografien, vor allem aber der familiären Prägung und Mentalitäten der Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose stellt Miriam Gebhardt grundlegende Überlegungen zur Sozialisation der Widerstandskämpfer an, die der häufig übersehenen Frage auf den Grund gehen, warum gerade diese jungen Menschen gewagt haben, sich dem Nationalsozialismus in den Weg zu stellen.
Das Widerstandsrecht ist im Grundgesetz an prominenter Stelle verankert: in Artikel 20, der von der Ewigkeitsklausel in Artikel 79 (3) ausdrücklich geschützt ist. Allerdings wurde das Widerstandsrecht, das eine lange ideengeschichtliche Tradition hat und nach den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft neue Relevanz erlangte, erst mit der Notstandsgesetzgebung 1968 im Grundgesetz eingefügt. Sebastian Ehricht zeigt in seinem Beitrag, welchen Zweck der Verfassungsgesetzgeber mit diesem Schritt verfolgte, und fragt nach den Voraussetzungen für die praktische Anwendbarkeit des Grundrechts auf Widerstand.
Wolfgang Heuer stellt Hannah Arendts Text als Ausdruck republikanischen Denkens in den Mittelpunkt und zeichnet davon ausgehend die Unterschiede zu den Überlegungen von John Rawls und Jürgen Habermas sowie dem Radikaldemokraten Étienne Balibar auf. Arendts Kritik am apolitischen Liberalismus und ihr Plädoyer für einen zivilgesellschaftlichen Republikanismus haben nichts Utopisches an sich, schreibt Heuer, sondern seien es wert, in der gegenwärtigen „Postdemokratie“ hinsichtlich einer möglichen Institutionalisierung diskutiert zu werden. Habermas habe dieses Potenzial leider nicht zur Kenntnis genommen. Balibars Polis-Konzept unterscheide sich gänzlich von Arendts Republikanismus.
Die deutsche Energiewende wird im Ausland als vorbildhaft betrachtet. Allerdings wird dabei häufig übersehen, dass erforderliche Bauprojekte, wie Stromleitungen, zu massiven Protesten führen. Julia Zilles beschreibt auf Grundlage des Projekts „Bürgerproteste in Zeiten der Energiewende“, wie sich Widerstand und Konflikte gegen diese Energiewendeprojekte niederschlagen. Sie richtet ihren Blick dabei auf den in der Protest- und Bewegungsforschung bislang weniger beachteten ländlichen Kontext und beleuchtet, welches hohe Konfliktpotenzial gerade in ländlichen Regionen in Zeiten der Energiewende entstehen kann.
In ihrem Beitrag zeichnet Jana Günther die Entwicklungslinien des Feminismus und des feministischen Aktivismus nach. Dabei stellt sie sowohl Galionsfiguren der Bewegungen als auch deren Anliegen und Vorgehen dar. Im Rahmen dessen werden Ursprünge, Konflikte und Widerstände thematisiert, deren Aktualität spürbar ist.
Ausgehend von Demonstrationen gegen eine Reform des Arbeitsrechts formierte sich im Frühjahr 2016 im Herzen von Paris ein neuartiges Protestformat, das landesweite Ausstrahlung zu entfalten vermochte. Ganz bewusst ohne Hierarchien, ohne feste Strukturen oder Rollen, ohne Beteiligung von Parteien oder Organisationen wurde für einige Wochen in nächtlichen Plenen eliten- und kapitalismuskritisch diskutiert. Teresa Nentwig widmet sich in ihrem Beitrag dem Aufflackern, Abebben und Nachwirken der französischen Bewegung Nuit debout.
Demokratie ist mehr als nur ein Verfahren der kollektiven Entscheidungsfindung. Demokratie ist auch eine Form des Zusammenlebens, in der die Balance konfligierender Bedürfnisse wie Freiheit und Individualität, Sicherheit und Zugehörigkeit auf unterschiedlichsten sozialen Interaktionsebenen immer wieder neu verhandelt wird. Markus Pausch weist darauf hin, dass dem Revoltieren in demokratischen Gesellschaften besonders bei der Wahrung des Freiheitsbedürfnisses eine konstitutive Rolle zukommt. In hierarchischen Strukturen, wie sie etwa im etablierten Schulsystem zu finden sind, und aktuellen Entwicklungen des neoliberalen Zeitalters, dem der Autor eine bedenkliche Tendenz zur monologischen Kommunikation bescheinigt, sieht Pausch jedoch Herausforderungen für den täglichen Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit. Nicht weniger kritisch betrachtet er die gegenwärtige Lage der institutionalisierten Möglichkeiten zur Revolte in den parlamentarischen Arenen der repräsentativen Demokratie.
In seinem Porträt des Sozialdemokraten Friedrich Adler, der 1916 den österreichischen Ministerpräsidenten Karl Stürgkh ermordete, fragt Franz Walter nach den persönlichen Beweggründen für das Attentat, aber auch nach den Ursachen für dessen wechselhafte Bewertung durch die öffentliche Meinung in Österreich und im Ausland. Walter argumentiert, dass es nicht so sehr die klassische Begründung des Tyrannenmordes, sondern vielmehr ein ethischer Rigorismus, der Widerwille gegen die „österreichische Moral“ gewesen sei, der Adler zu seiner Mordtat trieb.
Im Angesicht der drohenden Gefahr einer nationalsozialistischen Herrschaft gaben sich viele SPD-Funktionäre dem Glauben hin, dass es dazu schon nicht kommen, dass der NS-Aufstieg vorübergehen werde. Im Exil konnte die Partei dann auf ein klandestines Netzwerk zurückgreifen, und die Erfahrung der NS-Diktatur habe, so Heine, ideologisch divergierende Gruppen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie unter dem gemeinsamen Ziel des Wiederaufbaus einer Demokratie zusammengeführt.
Französische Behörden beteiligten sich in unterschiedlicher Weise am Holocaust. Polizeibeamte führten Razzien durch, deportierten Juden in Sammellager und schon in den späten 1930er Jahren waren die französischen Grenzen für jüdische Einwanderer geschlossen worden. Eine wesentliche Ursache hierfür – den Widerspruch zwischen republikanischem System und menschenverachtender Kollaboration – sieht Michael Mayer in einer Gesellschaft, die entgegen ihrem demokratisch-liberalen Postulat keine homogene Wertegemeinschaft bildete und in der noch starke autoritäre, antisemitische Strömungen vorhanden waren, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich überwunden werden konnten. Anhand eines vertieften Blicks auf das Agieren von Repräsentanten des französischen Staats bei der Verfolgung von Juden in Frankreich nähert sich Michael Mayer nicht nur der Frage der aktiven Mittäterschaft am Holocaust, sondern versucht darüber hinaus Mechanismen aufzuzeigen, die Hinweise darauf liefern, dass Demokratien erstaunlich leicht in einer Weise deformiert werden können, dass brutale Menschenrechtsverletzungen möglich sind.