Die Weiße Rose Überlegungen zur Sozialisation der Widerstandskämpfer

Von Miriam Gebhardt

Der 9. November wird in Deutschland gerne als »Schicksalstag« bezeichnet, an dem mehrmals epochemachende Ereignisse zusammenfielen. Ein anderes Datum, das in der allgemeinen Erinnerung hingegen weit weniger präsent ist, hätte jedoch ebenfalls mit guten Gründen eine symbolbildende Deutung verdient, leuchtet es doch die ganze Bandbreite möglichen Verhaltens der Deutschen im Nationalsozialismus aus: der 18. Februar 1943.

An diesem Tag hielt Joseph Goebbels in Berlin seine berüchtigte »Sportpalastrede«, die zum Sinnbild der Überwältigung durch Propaganda geworden ist, zu einem Menetekel der Irrationalität, da dem Regime gelang, die Deutschen unter dem Banner »Totaler Krieg – kürzester Krieg« noch einmal davon zu überzeugen, alle Kraft für den Vernichtungskrieg zu sammeln. Der letzte Satz, den der Propagandaminister in den Saal schrie, lautete: »Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen. Und darum lautet von jetzt ab die Parole: Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!« Und er brach los, der Sturm: Vierzehntausend Menschen im Saal und Millionen am Radio und in den »Wochenschau«-Vorstellungen ließen sich zu rauschhaftem Jubel hinreißen.

Am selben Tag, zur selben Zeit bildete sich in München im Gestapogefängnis gleichsam ein Schattenriss der Berliner Vorgänge ab: Die Geschwister Scholl mussten sich gegen den Vorwurf des Verrats am Hitlerstaat verteidigen. Am Abend des 18. Februar 1943 dann ihr trotziges Eingeständnis: Ja, sagte Sophie Scholl, ihre Aktionen seien auf die Beseitigung des nationalsozialistischen Staates hinausgelaufen. »Wenn die Frage an mich gerichtet wird, ob ich auch jetzt noch der Meinung sei, richtig gehandelt zu haben, so muss ich hierauf mit ja antworten.«[1] Vier Tage später wurden die Geschwister gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Christoph Probst hingerichtet. »Es lebe die Freiheit!«, sollen die letzten Worte Hans Scholls gewesen sein.[2] […]

Anmerkungen

[1] Ulrich Chaussy u. Gerd R. Ueberschär, »Es lebe die Freiheit!«. Die Geschichte der Weißen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten, Frankfurt a.M. 2013, S. 236.

[2] Ebd., S. 9.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2017 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2018