Grenzen im virtuellen Raum sind das Thema der Analyse »Unendliche Weiten …?« von Thorsten Thiel. Grenzen in der Virtualität des Netzes zu ziehen, sei ungleich schwerer als auf dem realpolitischen Parkett, so der Politikwissenschaftler. Zwar könne eine Übertragung nationalstaatlicher Souveränität auf den virtuellen Raum kaum gelingen, dafür zeichnen sich im Netz eigene, feinere Logiken der Grenzziehung ab.
Weltweit hat es im vergangenen Jahrzehnt einen Trend zu Grenzverstärkungen gegeben, die meist sicherheitspolitisch begründet wurden. Sie laufen dem rasanten Austausch von Waren und einem hoch globalisierten Handel eigentlich zuwider. Und auch humanitäre Ansprüche kommen an Grenzen oft zu kurz. Wilfried von Bredow plädiert für »intelligente Grenzen«.
Seit 2001 wurden weltweit 22 neue Mauern zwischen Staaten gezogen: von Saudi-Arabien über Burma, Botswana, China, Ägypten und Indien bis zu Pakistan, Israel und Thailand. Nach dem Fall der Berliner Mauer sind Grenzmauern keineswegs verschwunden. Dietrich Thränhardt geht der Frage nach, weshalb Staaten heute Mauern errichten und macht sechs Gründe dafür ausfindig.
An der Grenze zu Mexiko haben die USA hochgerüstet: Die Militarisierung der südlichen Landesgrenze – und insbesondere die diskursive Tradierung dieser Entwicklung – hat das Repertoire nationaler Identität um eine territoriale Komponente erweitert, die in dieser Form neu ist, analysiert Jan M. Kotowski. Das Selbstverständnis der USA als Einwandernation scheint sich zu wandeln.
Mit 117 Kilometer Länge, achtzig Kastellen und seinen 158 Türmen war der Hadrianswall ein imposantes Bauwerk, das auf Anordnung des römischen Kaisers Hadrian an der Nordgrenze Britanniens errichtet worden war. Constanze Moneke und Simon Falke zeigen, dass der Hadrianswall mehr war als lediglich eine Grenzsicherung. Entlang dem Hadrianswall entstand ein eigenes Leben mit ausgeprägtem Handel. Er war insofern auch ein Ort der Annäherung. Die Autoren sind sich sicher: »Der Hadrianswall ist kein Symbol für ein Ende der Expansion, sondern eine Machtdemonstration der römischen Herrschaft.«
Andrea Brait und Andreas Pudlat gehen in ihrer Analyse auf die Suche nach Überbleibseln der bis 1989 existierenden Grenzen Österreichs gegenüber seinen östlichen Nachbarn. Durch die Öffnung des »Eisernen Vorhangs« 1989 und den EU-Beitritt des Landes 1995 haben sich die außen- und innenpolitischen Koordinaten der einstmals neutralen Republik grundsätzlich verändert. Wenn auch Schlagbäume und Passkontrollen entfallen sind, bestehen die vormaligen Grenzen allerdings zumindest in gedanklichen »Mental Maps« fort.
Grenzen haben derzeit einen schlechten Stand, konstatiert unser Autor Konrad Paul Liessmann in seiner Analyse. Dabei ist die Grenze aber nicht nur die Basis aller Unterscheidung und somit auch Grundfeste aller Erkenntnis, sondern sie ist ebenso die Kontaktfläche, durch die Dinge erst in Berührung miteinander geraten. Grenzen fassen ein, was tatsächlich existent ist, weisen immer auch über sich selbst hinaus und werden hierdurch sowohl für die EU wie auch für die Schwächeren innerhalb einer Gesellschaft zum gewichtigen philosophischen Bezugspunkt.
Insbesondere im Sport strebt der Mensch nach mehr, Höherem, Weiterem, schickt sich an, stets neue Höchstleistungen zu erbringen und Grenzen nicht nur individuell, sondern insgesamt zu verschieben. Woher aber kommt der Drang nach immer neueren Höchstleistungen? Karl-Heinrich Bette zeichnet in seinem Beitrag »Narrenrennen« die gesellschaftliche Logik dieser Rekordjagd nach.
Welche Grenzen existieren zwischen verschiedenen Vierteln einer Stadt? Gemeinhin geht man von Stadtvierteln als innerstädtischen Grenzen aus – man charakterisiert das eine als Problemquartier, das andere als Viertel des gehobenen Bürgertums, und in noch einem anderen weiß man die linksalternative Szene zu Hause. Doch verlaufen diese Grenzen wirklich trennscharf, überschreiten die Bewohner der Viertel diese Grenzen nicht auf ganz bestimmte Weise, und könnte man zur Charakterisierung unterschiedlicher städtischer Gruppen möglicherweise eher von Mobilitätsnetzen als von Vierteln sprechen? Die Annahme einer Deckungsgleichheit von Stadtvierteln und sozialen Gruppen ist in jedem Fall zu kurzschlüssig. Diesen Fragen geht Carsten Keller in seinem Beitrag über den »Wandel sozialer Grenzen im städtischen Raum« nach und erkundet dabei die sog. »Renaissance der Städte«, der gestiegenen »Sehnsucht nach ›Urbanität‹«.
Der Text geht der Frage nach, wo im Umgang mit Religionen, vor dem Hintergrund furchteinflößender Fundamentalismen, die Grenzen der Toleranz verlaufen. Für die Autoren ist Toleranz der Binnenraum zwischen einer »Orthodoxie« und einer geächteten »Häresie«. Zwischen beiden Polen befindet sich die Sphäre des »Noch-Tolerierbaren« als Ort der Toleranz. Nach einem kursorischen Rückblick auf die historischen Grenzverschiebungen zwischen Orthodoxie und Häresie befassen sich Tobias Graßmann und Severin Caspari mit gegenwärtigen Ansätzen, die Toleranzgrenze neu zu ziehen. Dabei identifizieren sie ein rechtspopulistisches und ein religionsskeptisches Konzept, von denen sie sich gleichermaßen absetzen, um die Vorzüge einer dritten Alternative, des »korporatistischen« Ansatzes, herauszustreichen. Im Vordergrund dieses Ansatzes steht das Ziel, eine echte institutionelle Gleichstellung der Religionen zu erreichen und sich an der Leitfigur einer maximalen Integration aller Gesellschaftsgruppen zu orientieren.
Dieser Text handelt von der evangelikalen Bewegung zwischen Abschottung und Öffnung. Er beschäftigt sich mit den Evangelikalen als derjenigen christlichen Gruppierung, die heute ihren missionarischen Auftrag am deutlichsten unterstreicht. Dabei wird gezeigt, dass die Evangelikalen klassische Kennzeichen eines weltanschaulichen Milieus aufweisen: ein weitmaschiges separatkulturelles Organisationsnetz, charismatische Prediger und klare sowie einfache Botschaften, die Wahrheit und letztendlich Rettung versprechen. Am Beispiel des Massenevents »Pro Christ« wird konkret veranschaulicht, wie der Glaube von den Evangelikalen sinnlich erlebbar und erfahrbar gemacht wird und welche Rolle dabei Inszenierungen und Emotionen spielen.
Wie verhält es sich eigentlich in einer durch Komplexität und Kontingenz geprägten Welt mit dem Wissen? Es vermehrt sich exponentiell, schrumpft jedoch in Relation zum Nichtwissen. Diese Konzeption von Wissen tritt im Kontext wissenschaftlicher Forschung und Beratung samt ihrer handlungspraktischen Folgen für Entscheider zunehmend deutlich zu Tage, wie Johannes Gabriel in einem szenischen Stück in vier Akten aufzeigt.
Felix Hasler erklärt im Interview mit INDES, warum »Neuronen keine Moral« kennen. Wie kam es überhaupt zum »Hype« um die Neurowissenschaften, wo stoßen sie an die Grenzen ihrer Erklärungskraft – und: Besteht die Gefahr, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus diesem Forschungsfeld politisch instrumentalisiert werden?
Am Beispiel der liberalen Grenzgänger Friedrich Naumann, Karl-Hermann Flach und Werner Maihofer zeichnet Franz Walter die kurzen Perioden des Sozialliberalismus in der deutschen Geschichte nach. Wenngleich sich die sozialliberale Ideenwelt eines Karl-Hermann Flach vom Sozialliberalismus Friedrich Naumanns am Vorabend des Ersten Weltkrieges und während der Weimarer Republik deutlich unterschied, so teilen alle Vertreter des Sozialliberalismus das Schicksal, dass ihre Ideen und Ansätze nur Episode blieben.
Postwachstum ist, so der Ökonom Tim Jackson, die große Erzählung unserer Zeit. Doch wer unterhält sich eigentlich heute über die Grenzen des Wachstums, über Postwachstumsszenarien? Und wie kann eine Postwachstumsgesellschaft gelebt werden? Anhand eines Leipziger Postwachstums-Projekts und der Debatte in der entsprechenden Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zeichnet Christian von Eichborn die völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten, die Aporien und Grenzen jener großen Erzählung unserer Zeit nach.
An Niklas Luhmanns Systemtheorie haben sich bekanntlich schon viele die Zähne ausgebissen. Ein urmenschlicher Traum, den großen Denker zu dechiffrieren. Zuletzt hat sich Norbert Bolz an dieser halsbrecherischen Angelegenheit versucht, den Paradigmengründer akribisch ins rechte Licht zu rücken. Warum ihm dies nur bedingt gelungen ist, kommentieren Friederike Müller-Friemauth und Rainer Kühn in ihrer Rezension über Bolz' »Ratten im Labyrinth«.
Moderne Demokratien sind mehr und mehr zu Verhandlungsexekutiven in verschlossenen Räumen und informellen Strukturen minoritärer Runden von Entscheidungsträgern mutiert. Die demokratische Souveränität ist weitgehend fortdelegiert und die politischen Parteien scheinen sich dem auch nicht zu widersetzen. Umso mehr werden Zivilgesellschaft und Partizipationsdemokratie als heilbringende Antwort auf diese Entwicklung ausgegeben. Doch Franz Walter mahnt zur Vorsicht. Denn in unserer segmentierten Gesellschaft ist zivilgesellschaftliches Engagement nur für gebildete, mobile und selbstbewusste Schichten attraktiv; für ihre entkoppelten, sozial benachteiligten Teile geht die Erosion der sozialmoralischen Vergemeinschaftungen einher mit der Wahrnehmung der eigenen Überflüssigkeit.
Ungarn im Jahr 2012: Die Grenzen zwischen Demokratie und Extremismus sind aufgeweicht. Die Gesellschaft hat immer weniger Berührungsängste mit tradierten autoritären Mustern. Nationale Wahlkämpfe spiegeln Aggressivität und Freund-Feind-Denken wider, Verschwörungstheorien und Spitzelvorwürfe gehören zum politischen Alltag. Die tiefgreifende Spaltung der ungarischen Gesellschaft, so Florian Hartleb, lässt nichts Gutes erahnen.
Mitnichten habe die Frauenquote der SPD ihre urdemokratischen Prinzipien außer Kraft gesetzt, argumentiert Inge Wettig-Danielmeier in ihrer Replik auf Klaus Funken. Die Quote habe nicht nur die SPD und ihre politische Arbeit verändert. Vor allem habe sie eine ausgiebige Programmdebatte zur Folge gehabt, die den gesellschaftlichen Rollenveränderungen von Frauen und Männern Rechnung getragen habe. Die erfolgreiche Frau in der Politik und im Beruf sei mittlerweile von der Ausnahme zur Regel geworden. Das ist gut so, meint Wettig-Danielmeier, denn eine höhere Beteiligung von Frauen in Gremien und Vorständen führe auch zu einer höheren Effektivität.