Konflikt statt Konsens Autoritärer Populismus in Ungarn
Aus Sicht der vergleichenden Forschung stehen die osteuropäischen Demokratien den westeuropäischen Pendants in nichts mehr nach. Das gilt zum einen für Stabilität wie Qualität[1] – und zum anderen offenbar ebenfalls für den Populismus, der sich im westeuropäischen Kontext längst zu einem Dauerbrenner in den buntscheckigen, dynamischen Parteienlandschaften entwickelt hat. Damit sind populistische und extremistische Erscheinungsformen im osteuropäischen 21. Jahrhundert Posttransformationsphänomene, deren Symptome wir bereits seit Mitte der 1980er Jahre aus Westeuropa kennen. Zu nennen sind hier allgemeine Parteienverdrossenheit, Polarisierungstendenzen gerade in Wahlkämpfen, die Popularität von Freund-Feind-Schemata, der Euroskeptizismus und diffuse Globalisierungsängste, die auf ein neues Cleavage[2] zwischen Kosmopoliten und Modernisierungsverlierern hindeuten. Gleichwohl gibt es nach wie vor beträchtliche Unterschiede, die einen Vergleich zwischen West und Ost erschweren. Nicht umsonst hatte für die Populismusforschung bis vor kurzem das Urteil eines Regionalexperten Bestand. Der in Polen lehrende Klaus Bachmann urteilte folgendermaßen: »Nur wenige Autoren haben sich in den letzten Jahren bemüht, bei länderübergreifenden Studien und Vergleichen populistischer Parteien die ehemalige Grenze des Kalten Krieges zu überschreiten.«[3] Nun aber fi nden sich vermehrt Versuche, zwei Dekaden nach dem Systemwechsel zumindest (endlich) die ostmitteleuropäischen Regionen einzubeziehen.[4]
Das hat einen handfesten empirischen Grund: […]
Anmerkungen:
[1] Vgl. Wolfgang Merkel, Gegen alle Theorie? Die Konsolidierung der Demokratie in Ostmitteleuropa, in: Klemens H. Schrenk u. Markus Soldner (Hg.), Analyse demokratischer Regierungssysteme. Festschrift für Wolfgang Ismayr zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 2010, S. 545–562.
[2] Immer noch ist die Cleavage-Diskussion bei der Debatte um Erosionen im Parteiensystem maßgeblich. Vgl. Seymour Martin Lipset u. Stein Rokkan, Cleavage tructures, Party Systems and Voter Alignments. An Introduction, in: Dies. (Hg.), Party Systems and Voter Alignments. Cross-National Perspectives, New York 1967, S. 1–64. Das gilt auch für die neue Debatte um Parteienfamilien. Vgl. Uwe Jun u. Benjamin Höhne (Hg.), Parteienfamilien. Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett?, Opladen 2012.
[3] Klaus Bachmann, Populistische Parteien und Bewegungen in Mittelosteuropa, in: Frank Decker (Hg.), Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden 2006, S. 217–232, hier S. 217.
[4] Vgl. Cas Mudde, Populist Radical Right Parties in Europe, Cambridge 2007; Susanne Frölich-Steffen, Populismus im Osten und im Westen als parallele Entwicklungen, in: Dieter Segert u. Ellen Bos (Hg.), Osteuropäische Demokratien als Trendsetter? Parteien und Parteiensysteme nach dem Ende des Übergangsjahrzehnts, Opladen 2008, S. 303–321.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012