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Editorial

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Uli Schöler

Was ist heute links? Zehn Leitbilder für eine moderne Linke

Mit dem Scheitern der USPD und des staatlichen Sozialismus im Ostblock sei im Linkssein eine Leerstelle entstanden und es stelle sich »die Grundfrage des Linksseins heute völlig neu«. Der Autor identifiziert »zehn Leitbilder für eine moderne Linke«. Für: die Stärkung und innere Demokratisierung vorhandener Finanzinstitutionen, die internationale Wertegemeinschaft, eine globalisierte Welt, die EU, die Entwicklung einer ökologischen Lebensperspektive, ein auf nationaler Ebene entwickeltes Konzept ressourcenschonender Produktion, die rechtliche Regulation des Internets, die Harmonisierung von Familie und Beruf, die Zukunftsfestigkeit des Sozialstaats und schließlich die verständliche, plausible Präsentation all dieser Leitbilder.

Franz Walter

Nicht nur eine Arbeiterbewegung Eine lange Geschichte sozialmoralischer Spaltung (auch) jenseits der USPD

Franz Walter unternimmt eine intensive Erkundung der sozialmoralischen Brüche und Neuanfänge innerhalb der Arbeiterbewegung und vor allem (auch) jenseits der USPD. Sein Ausgangspunkt ist die dynamische Entwicklung der USPD, deren Mitgliederexpansion, aber auch deren Radikalisierungen. Rätesystem sowie Diktatur des Proletariats und nicht parlamentarische Demokratie forderten sie alsbald. Walter fasst zusammen: „Am Ende war die USPD weniger eine Partei als eine sehr heterogene, emotional enorm aufgewühlte und ziemlich erratische Protestbewegung vor allem junger Arbeiter.“ Bis in die Gegenwart spürt der Autor den Spaltungen und Trennungen innerhalb der politischen Arbeiterbewegung nach. Aus aktueller Perspektive und mit Blick auf den Erfolg rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen, denen sich heutzutage linke Kernwählerschaften zugewandt haben, resümiert Walter: „Eine im Grunde denkbar traurige Bilanz der politischen und sozialmoralischen Spaltungshistorie dieser Klasse.“

Thomas Meyer

Von Erlösung, Emanzipation und Entfremdung Die Linksparteien und ihr »Spaltungsgen«

Thomas Meyer widmet sich in seinem Beitrag, mit einem Blick zurück und nach vorn, dem linken Parteien vielfach unterstellten Spaltunsgen und untersucht hierfür am Beispiel der deutschen Sozialdemokratie nicht nur, ob die These der besonders ausgeprägten Spaltungsneigung von Linksparteien überhaupt begründet ist, sondern auch, ob sie sich aus Besonderheiten im Selbstverständnis der Partei ergibt.

Lutz Häfner

Zwischen allen Stühlen Zur Entwicklung der USPD

Lutz Häfner zeichnet in seinem Beitrag über das politisch so spektakuläre wie letztlich doch recht kurze politische Leben der USPD das Bild einer in den Wirren des Ersten Weltkrieges geborenen „Friedenspartei“, die – als Abspaltung von der Sozialdemokratie entstanden – selbst Spaltungen zum Opfer fiel und als Partei letztlich zu heterogen war, um in den sich politisch zuspitzenden Jahren der Weimarer Republik Antworten auf andere drängende Fragen liefern zu können, weshalb von ihr in Friedenszeiten letztlich wenig blieb.

Ralf Hoffrogge

Räteaktivisten in der USPD Richard Müller und die Revolutionären Obleute

Ralf Hoffrogge schildert am Beispiel der Biografie von Richard Müller die wechselvolle Geschichte der sogenannten Revolutionären Obleute. Diese exklusive, aus den Reihen des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) sich rekrutierende und klandestin arbeitende Gewerkschaftergruppe stellte in der Übergangsphase vom Kaiserreich zur Weimarer Republik eine einflussreiche Untergrundorganisation dar, die letztlich den Sturz der Monarchie entscheidend mit vorantrieb. Auch im Rahmen der kurzzeitigen Rätebewegung agierte sie in vorderster Linie. Zusammen mit der Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bildeten die Obleute seit 1917 den linken Flügel der USPD, bewahrten aber stets ihre Unabhängigkeit. Revolutionäre Praxis, politische Zielvorstellungen, deren Enttäuschung und der anschließende Niedergang dieses „Vortrupps des Proletariats“ werden in diesem Beitrag anschaulich dargestellt.

Reiner Tosstorff

Volksfront und Einheitspartei Die Linke im Schatten des spanischen Bürgerkriegs

Reiner Tosstorff wirft in seinem Beitrag die Frage auf, weshalb der gemeinsam geführte antifaschistische Kampf nicht auch zu einem organisatorischen (Wieder-)Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Kommunisten geführt hat. Am Beispiel Spaniens der Franco-Zeit arbeitet er heraus, welche Schwierigkeiten damit einhergingen, aber auch welche Möglichkeiten darin lagen. Tosstorff kommt zusammenfassend zu dem Schluss: Mit der Organisationsgewalt im Rücken, hätten die Kommunisten nicht zuletzt anfänglich akzeptierte ideologische Konzessionen an die Sozialdemokraten im weiteren Verlauf wieder zurücknehmen können. Die Kontrolle verblieb stets bei den kommunistischen Apparaten.

Uwe Sonnenberg

Linke Buchläden in den 1970er Jahren Kommunikationszentren im Hintergrund des Protestgeschehens

Uwe Sonneberg nähert sich in seinem Beitrag über linke Buchläden in den 1970er Jahren einem, wie Sonnenberg mustergültig aufzeigt, zu Unrecht von der Forschung bisher eher vernachlässigten Thema. Wie die alternativen Buchläden als „Kommunikationsorte und Umschlagplätze politischer Ideen“ die Geschichte von 1968 über die 1970er und 1980er Jahre in die heutige Zeit transportieren, dabei sich in Gestalt und Selbstverständnis wandelten ist, eine wichtige wie kurzweilige Ergänzung der intellektuellen Geschichte der Bundesrepublik nach 1968.

David Bebnowski

Ein unplanbarer Aufstieg Die Zeitschrift Das Argument und die Neue Linke

Das Profil und den Wandel der deutschen Linken im Spiegel der Debatten in der Zeitschrift Das Argument nachzuzeichnen, ist das Thema von David Bebnowskis Analyse. Eindrücklich werden der Prozess und die Etappen dargestellt, im Zuge derer aus einem existenzialistischen Anti-Atomwaffenblättchen eine der einflussreichsten marxistischen Zeitschriften Deutschlands wurde. Die Überschneidungen und Wechselbeziehungen dieses Wandels mit der gleichlaufenden Gestaltveränderung der westdeutschen Linken insgesamt verkörpern Namen wie Günther Anders, Herbert Marcuse und Max Horkheimer.

Andreas Malycha

Konsumsozialismus Kontroversen um die Wirtschaftsstrategie im SED-Politbüro unter Erich Honecker

Am Beispiel des wirtschafspolitischen Kurswechsels unter Erich Honecker Anfang der 1970er Jahre in der DDR spürt Andreas Malycha frühen, von der Forschung lange nicht bearbeiteten Friktionen innerhalb des Politbüros nach, die letztlich die Unfähigkeit der SED zeigten, die DDR in sich globalisierenden Zeiten wettbewerbsfest für die Zukunft zu machen, und damit, den schnellen Zusammenbruch der DDR mitbegründend, selbst wohlwollende Funktionäre auf Distanz zur DDR-Führung brachten.

Sebastian Berg

Partei oder Bewegung? Labour, Corbyn und die britische Linke

Unter Einbezug grundsätzlicher Überlegungen zu „Partei“ und „Bewegung“ widmet sich Sebastian Berg der britischen Labour Party unter Jeremy Corbyn zwischen Endzeitstimmung und Corbynmania und entwirft dabei ein Bild einer tief gespaltenen britischen Labour Party, deren künftige Ausrichtung die Frage klären könnte, ob eine egalitär-solidarisch-ökologische Gesellschaft als Alternative zum Status quo noch denkbar ist oder ob Letzterer sich bestenfalls sozialreformerisch einhegen lässt.

Marika Przybilla-Voß

Arbeiter in Bewegung Eine Inspektion in Gotha auf der Suche nach dem Volkshaus zum Mohren

Das Volkshaus zum Mohren in Gotha ist ein wichtiger Erinnerungsort der Linken in Deutschland. Hier gründete sich auf einer sogenannten Reichskonferenz Anfang April 1917 die USPD. Die Autorin ist beinahe hundert Jahre später in die Stadt gereist und hat sich auf die Suche nach Spuren des Volkshauses und der einst hochvitalen Arbeiterbewegungskultur in der mittelthüringischen Stadt gemacht. Ihre Eindrücke und Erlebnisse schildert sie in dem vorliegenden Text.

Detlef Lehnert

Gründungsfiguren der USPD Herkunfts- und Überzeugungsprofile

Detlef Lehnert zeichnet Herkunfts- und Überzeugungsprofile der »Gründungsfiguren der USPD« nach. Er analysiert die Grundauffassungen von Hugo Haase, Eduard Bernstein und Karl Kautsky entlang verschiedener Schriften und in Abgrenzung zur Regierungssozialdemokratie und der KPD. Lehnert resümiert: Haases politische Linie auf dritten Wegen war im Herbst 1919 politisch fast schon gestorben, als er ermordet wurde.

Oskar Negt

»Ein zweites Gotha wäre notwendig« Über die Aktualität des Sozialismus sowie rot-rot-grüne Bündnisse

Oskar Negt analysiert im Interview mit INDES die Aktualität des Sozialismus sowie die Erfordernisse und Chancen rot-rot-grüner Bündnisse. Dabei begründet er seine Ansicht, warum eine intensiv betriebene Programmarbeit und ein erkennbares Profil, das nicht vorschnell vermeintlichen tagespolitischen Erfordernissen geopfert wird, gerade für linke Parteien Notwendigkeiten sind. Für die politische Linke ebenso wie für linke Bündnisse sieht Negt grundsätzlich Chancen eher als Risiken – wenn die Zeichen der Zeit erkannt und die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten zwischen den Linksparteien nicht aus taktischen Gründen kleingeredet werden.

Perspektiven

Anja Mays  /  Verena Hambauer

Sozioökonomischer Status und politisches Engagement Warum wir mehr politische Bildung in Kindheit und Jugend brauchen

Anja Mays und Verena Hambauer untersuchen in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und politischem Engagement. Im Anschluss an eine Darstellung der grundlegenden wissenschaftlichen Literatur resümieren sie die Relationen von Statusvariablen einerseits, politischem Interesse und politischer Beteiligung andererseits. Sodann präsentieren sie nach Einkommens- und Bildungsgruppen getrennt ihre Auswertung der Daten des »Sozio-oekonomischen Panels« bezüglich der Niveauveränderungen des politischen Interesses im Falle von Statusverlusten oder -gewinnen im Lebensverlauf. Auf dieser Grundlage argumentieren sie abschließend, warum wir mehr politische Bildung in Kindheit und Jugend brauchen.

Volker Best

Die GroKo-Horkruxe und die Todesser der Demokratie Plädoyer für eine Wahlsystemreform

Volker Best plädiert vor dem Hintergrund des Aufstieges der AfD und einer fortgesetzten Ausdifferenzierung des Parteiensystems für eine Wahlrechtsreform. Da der Eindruck von Profillosigkeit und einer wechselseitigen Angleichung der etablierten Parteien aneinander auch den unsicheren Mehrheitsverhältnissen geschuldet sei, empfiehlt er ein Reformmodell, das dem jeweiligen Wahlsieger bei der Sitzverteilung einen Mehrheitsbonus verschafft. Sollte dagegen an dem bisherigen Regelarrangement festgehalten werden, prognostiziert er einen weiteren Anstieg der Parteien- und Politikverdrossenheit und im Zuge dessen auch eine sich vertiefende Krise der Demokratie.

Dominik Meier

Das Gemeinwohl Ein Blick aus der politischen Praxis

Aufgrund von Sozialisation und Werten kennt jede Gemeinschaft ihr eigenes Gemeinwohl. Da Deutungshorizonte, die für die Gemeinwohlbildung einer Gemeinschaft essenziell sind, aus wandelbaren Machtverhältnissen entstehen, muss Politikberatung ständig auf Veränderungen achten. Permanent umkämpft und objektiv nicht fixierbar, lässt sich Gemeinwohlbindung nicht institutionalisieren, wie es für direktdemokratische Verfahren bisweilen gefordert wird.

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