Ein unplanbarer Aufstieg Die Zeitschrift Das Argument und die Neue Linke

Von David Bebnowski

Die Geburt der Neuen Linken in West-Europa fällt nicht in das Jahr 1968, sondern bereits in das Jahr 1956. Spätestens nachdem sowjetische Truppen den ungarischen Volksaufstand jenes Jahres niedergeschlagen hatten, entstand in unterschiedlichen westeuropäischen Staaten eine unabhängige linke Strömung. Vor allem junge Intellektuelle suchten nach einer neuen politischen Stoßrichtung jenseits von Parteikommunismus und Sozialdemokratie. Verbindende Ideen erarbeiteten sie aus den z.T. verschütteten Bergen linker, häufig marxistischer Literatur. Vor allem in ihrer Anfangsphase war die Neue Linke deshalb eine Lesebewegung.[1] Um gemeinsam nach Antworten zu suchen und diese zu debattieren, begannen die jungen Aktivisten unterschiedliche Zeitschriftenprojekte.[2]

Hierzu gehören der 1957 von den englischen Historikern John Saville und E.P. Thompson gegründete New Reasoner und die zeitgleich entstandene Universities and Left Review unter der Leitung von Stuart Hall. Beide Zeitschriften fusionierten 1960 zur einflussreichen New Left Review (NLR). Bedeutende französische Beispiele sind die von Cornelius Castoriadis schon 1949 herausgebrachte Socialisme ou Barbarie und die Situationiste Internationale um Guy Debord. Neben diesen beiden Zeitschriften gründeten zwischen 1956 und 1962 ehemalige Mitglieder der KP und Résistance, unter ihnen der Philosoph Edgar Morin, die Zeitschrift Arguments.

1959 entstand schließlich an der Freien Universität West-Berlin (FU) als eine der ersten Zeitschriften der deutschen Neuen Linken Das Argument. Diese Zeitschrift wurde in den kommenden Jahren zu einem Pionier bei der Identitätssuche junger Linker in der Bundesrepublik. Durch ihre Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule und die hiervon beeinflussten Faschismusanalysen nahm Das Argument eine wegweisende Funktion für die Studentenbewegung der 1960er und 1970er Jahre ein. […]

Anmerkungen:

[1] Siehe Adelheid von Saldern, Markt für Marx. Literaturbetrieb und Lesebewegungen in der Bundesrepublik in den Sechziger- und Siebzigerjahren, in: Archiv für Sozialgeschichte, Jg. 44 (2004), S. 149–180.

[2] Vgl. Stuart Hall, Life and Times of the First New Left, in: New Left Review, Bd. 61 (2010), H. Jan/Feb, S. 177–196; Christoph Jünke, Streifzüge durch das rote 20. Jahrhundert, Hamburg 2014, S. 103 ff.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2016 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2017