Dass der Konservatismus als Ideologie auf stetigen Wandel und offensive Begriffspolitik angewiesen gewesen ist, um die eigene Selbsterhaltung sicherzustellen: Hierauf verweist Jens Hacke in einer einführenden Begriffsbestimmung dessen, was Konservatismus bedeutete, heute noch bedeuten kann und welche Problematisierungsleistungen ein zeitgenössischer Konservatismus braucht, um als solcher wahrgenommen zu werden.
Wer oder was als konservativ galt oder gelten sollte, ist in der Geschichte stets umkämpft gewesen. Gleichwohl ist dem Konservatismus mit dem Zerbrechen eines politisch linken Zukunftsoptimismus der Gegenpart abhandengekommen. Gewichtige, selbstbewusste konservative Stimmen gibt es jedenfalls derzeit wenige. Wie sich dies in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte entwickelt hat und was heute Facetten des Konservativen sein können, darüber sprechen in diesem Interview Paul Nolte und Herfried Münkler.
Der Konflikt zwischen dem Westen als Vorbild und dem Ziel einer Vereinigung aller Russen in einem gesellschaftlichen Gebilde besonderer Prägung ist seit dem 19. Jahrhundert eine der wichtigsten Auseinandersetzungen in Russland. Die Geringschätzung westeuropäischer Rechtsstaatlichkeit und Philosophie auf der einen und die Suche nach nachahmenswerten Erfahrungen in Frankreich, England und Deutschland auf der anderen Seite prägten dabei die Debatten. Und auch heute ist dieser Streit nach dem richtigen Weg Russlands nicht verschwunden – und ohne ihn ist die Perspektive Russlands auf den Ukraine-Konflikt nicht nachzuvollziehen.
Im Frühjahr 2015 feierte Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy ein bemerkenswertes Comeback. Auf dem Gründungsparteitag der Partei Les Républicains wurde er zum Vorsitzenden der UMP-Nachfolgeorganisation gewählt, nachdem er für die UMP von 2007 bis 2012 als französischer Staatspräsident amtiert hatte. Dazwischen lag eine Zeit, in der er allenfalls noch mit Skandalen auf sich aufmerksam machte. Was bedeuten Sarkozys Rückkehr und die Parteineugründung nun für die bürgerliche Rechte in Frankreich? Wie stehen ihre Chancen für die kommende Präsidentschaftswahl? Welche Herausforderungen stellen sich ihr, wo liegen ihre Stärken und wo die Schwachstellen? Diesen und weiteren Fragen widmet sich der Beitrag von Teresa Nentwig.
Michael Oakeshott hat den Konservatismus nicht als Theorie, sondern als Mentalität betrachtet. Michael Becker sieht Oakeshott als unverzichtbare Quelle für eine Antwort auf die zentrale Frage, was Konservatismus eigentlich auszeichnet. Oakeshott zufolge sei dies v. a. die Haltung, bewährte soziale Institutionen und Verhaltensweisen schützen zu wollen.
Karin Priester rückt in ihrem Artikel die rechtspopulistische Versuchung des bundesdeutschen Konservatismus in den Fokus und versucht dessen massenmobilisierendes Moment zu greifen. Dabei betrachtet sie unter anderem die AfD genauer und wagt einen Blick in die Zukunft der Partei.
Dass die CDU noch eine konservative Partei ist, betonen ihre Gegner stärker, als es die Christdemokraten selbst glauben. Die Welt der Konservativen scheint unwiderruflich untergegangen zu sein – von der Dorfgemeinschaft über den allsonntäglichen Kirchgang bis hin zur altbürgerlichen Familie. Aber wie konnten vor diesem Hintergrund die Unionsparteien ihren Konkurrenten in Umfragen so weit enteilen, warum regiert Angela Merkel so unangefochten, wieso ist sie in der Bevölkerung derart populär? Franz Walter erläutert in seinem Beitrag, was die amtierende Kanzlerin mit Konrad Adenauer verbindet, warum sie die kongeniale Repräsentantin der deutschen Gegenwartsbevölkerung ist – und wieso der christdemokratische Erfolg dennoch auf tönernen Füßen steht.
Dirk Jörke und Veith Selk widmen sich in ihrem Beitrag einem der geistigen Gründerväter des Konservatismus, Edmund Burke. Ausgehend von seiner Abrechnung mit den revolutionären Ereignissen in Frankreich als einem, so Jörke und Selk, »Meilenstein in der europäischen Geistesgeschichte« nähern sich die Autoren dem anderen Burke, der von seinen Zeitgenossen vor dieser Streitschrift auch als »Kämpfer für die Rechte des Parlaments« »für die Rechte der Opfer der britischen« wahrgenommen worden war, und entwickeln von dort aus Fragen nach der Aktualität von Burkes Denken.
Florian Finkbeiner, Julika Förster und Julia Kopp begeben sich im Rahmen ihrer Inspektion an drei verschiedene Orte, an denen der Konservatismus beheimatet ist. In der Bibliothek des Konservatismus in Berlin, auf einem Treffen der Jungen Union in Berlin und auf einer Veranstaltung einer Burschenschaft in Göttingen spüren sie dem nach, was als konservativ gilt. Dort erleben, diskutieren und beobachten sie, was als konservativer Lebens- und Denkentwurf gilt, um so dem Begriff des gelebten Konservatismus einen Inhalt zu geben.
In seinem Beitrag legt der Politologe Ron Dart in elf Schritten Kernthesen des sogenannten Red Toryism dar. Dabei nimmt er immer wieder Rückgriff auf das politische Denken in Kanada und gewährt einen Einblick in Kanadas politische Landschaft.
Der Historiker und Sozialwissenschaftler André Postert skizziert in seinem Beitrag den Einfluss des 1920 erschienenen Traktats »Ruf der Jungen« von Max Hildebert Boehm. Boehm übt vehemente Kritik am wilhelminischen Konservatismus, will alte politische Formen sprengen und eine Neuordnung des politischen Feldes erreichen. »Ruf der Jugend« soll einen neuen Konservatismus formen und wird zur Grundlage der jungen Konservativen. Postert verknüpft die Entwicklung des ehemaligen Revolutionärs des Konservatismus hin zum Unterstützer des NS-Regimes mit der Entwicklung der politischen Landschaft Deutschlands während der Weimarer Republik.
Können Akteure sozialer Unterschichten – entgegen vieler Deutungen in der Forschung – konservativ sein? Jörg Neuheiser zeichnet am Beispiel Englands die lange Tradition des »Konservatismus von unten« nach und zeigt, warum gerade der englische Konservatismus leichter eine Verbindung zwischen traditionellen konservativen Vorstellungen und modernen massendemokratischen Erfordernissen herzustellen vermochte.
Die Toleranzinitiative des iranischen Ayatollah Abdolhamid Masoumi-Tehrani als Ausgangs- und Endpunkt nehmend, entfaltet Stephan Kokew ein facettenreiches zeitgenössisches Portrait des schiitischen Islam im Iran, der, so Kokew unter Verweis auf vielfältige Belege in der Literatur und im Koran, um die Notwendigkeit religiöser Toleranz wissen kann. Kokew wertet die Initiative des konservativen Masoumi-Tehranis deshalb auch als hoffnungsvolles Zeichen.
Vielfach ist zuletzt die Krise des wissenschaftlichen Nachwuchses an den deutschen Universitäten konstatiert worden. Anhand einer literarischen Parabel beleuchtet Katia Henriette Backhaus die gegenwärtige Situation des akademischen Mittelbaus.
Dieter Langewiesche blickt auf Grundlage der Freiheitsthesen der FDP in die Vergangenheit des deutschen Liberalismus und nutzt diese Retrospektive, um nach liberalen Zukunftsperspektiven zu fragen.
»Politik heißt: etwas wollen« – so leitet Armin Pfahl-Traughber seinen Beitrag über Olof Palme ein, der von 1969 bis 1986 mit Unterbrechung schwedischer Ministerpräsident war. In Palme sieht Pfahl-Traughber einen sozialdemokratischen Politiker, der Idealismus, Pathos und Bekenntnis mit politischem Mut verknüpfte. Zwischen Idealismus und Realpolitik changierend, habe Palme den Ausbau des Wohlfahrtsstaates vorangetrieben und Reformen im Dienste seiner für den »demokratischen Sozialismus Schwedens« insgesamt reklamierten »Idee der Gleichheit freier Menschen« durchzusetzen versucht.
Sinnlos, pseudointellektuell, langweilig: So beschreibt die Philologin Christy Wampole akademische Konferenzen. Sie ist dieser Form wissenschaftlichen Austausches überdrüssig und fordert in ihrem Manifest zehn Punkte, deren Einhaltung die Geisteswissenschaften vor dem Tod bewahren sollen – und die Teilnehmer vor dem Tod durch Langweile.