Der Volkswirt Stefan Kolev schaut in der Rolle des politischen Ökonomen sowohl auf den Liberalismus als auch auf die Ökonomik, die beide in einer Krise stecken. Als einen Weg heraus aus dieser Krise sieht er die Neue Ordnungsökonomik. Indem er deren unterschiedliche Rolle darlegt, verdeutlicht er ihre Notwendigkeit und deren Potenzial für den Liberalismus.
Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer analysiert in seinem Beitrag die Ursachen für die Anfeindungen des Liberalismus. Dabei geht er sowohl auf dessen parteipolitische als auch ideenpolitische Entwicklung und Veränderung ein und öffnet dabei den Blick für den sozialen Liberalismus und Neo-Liberalismus. Im Zuge dessen vermittelt Vorländer den Wandel des Liberalimus in Europa.
Schaden Solidarität und Moral der Effizienz des Marktes? Ist der Mythos des Liberalismus, dass der Markt eine moralfreie Zone sei, noch immer gültig? Diesen Fragen geht der Soziologe Michael Baurmann in seinem Beitrag nach. Dabei arbeitet er heraus, dass eine endogen gewachsene Moral im Markt durchaus förderlich für dessen Effizienz sein kann, aber in zu starken Forderungen nach Moral und Solidarität der Unternehmen eine Gefahr für ihn gleichsam liegt. Ist es demnach besser, den Markt als moralentlastete Zone zu betrachten?
„Ein Gespenst geht um in der Welt – das Gespenst des Liberalismus!“ Mit diesem Schlachtruf leitet Elif Özmen ihren Beitrag ein. Am Beispiel von John Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“ will sie zeigen, welches Gerechtigkeitsverständnis sich aus den drei liberalen Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Individualismus ableitet. Özmen zufolge erschöpft sich liberale Gerechtigkeit letztlich in „gleichen Rechten, formaler Chancengleichheit und gerechten Prinzipien für das Zustandekommen von sozio-ökonomischen Verteilungen“. Zugleich fragt sie, ob eine solche Gerechtigkeitskonzeption in der Lage und geeignet ist, die sozialen und ökonomischen Gerechtigkeitsprobleme der Gegenwart zu erfassen.
Ines Soldwisch wirft in ihrem Text die Frage auf, welche Rolle Frauen im deutschen Liberalismus spielten und spielen. In einem großen historischen Bogen von der Weimarer Zeit bis in die Gegenwart hinein untersucht sie die Entwicklung der Rolle von Frauen in den liberalen Parteien, ihre Anteile in den Fraktionen und inhaltlichen Tätigkeitsfelder. Vermittels biografischer Skizzen prominenter Protagonistinnen des organisierten Liberalismus schildert sie deren politische Beiträge für die praktische Arbeit und programmatische Weiterentwicklung der FDP und ihrer parteipolitischen Vorläufer.
Das Verhältnis zwischen Politik, Öffentlichkeit und Religion ist in einer liberalen Gesellschaftsordnung klar definiert: Die Religion ist Privatsache und religiöse Argumente und Begründungen sind in der Öffentlichkeit deplatziert. Fraglich aus demokratietheoretischer Sichtweise ist jedoch, ob diese Selbstbeschränkung nicht – erstens – ineffizient sein mag, wenn viele Argumente und Sichtweisen nicht gehört werden können; und – zweitens – wenn große Gruppen in einer Gesellschaft, die Gläubigen, im Vergleich zum Rest unverhätnismäßig großen Einschränkungen unterliegen, wenn sie ihre eigenen Interessen in säkulare Gründe kleiden müssen. Johannes Fioole analysiert die liberalen Ideen von Religion als Privatsache und von der Akzeptanz religiöser Argumente in der Öffentlichkeit. Rawls, Habermas, Audi, Mill und von Hayek werden dafür herangezogen.
Können liberale Gesellschaftsordnungen gerecht und stabil sein? Zunächst einmal ja; denn aus der Idee der Rechtsperson des Individuums resultierte nicht nur der moralische Imperativ der Gleichheit zur Freiheit, sondern auch eine liberale Gesellschaft, in der umfassende politische Partizipationsrechte als Voraussetzung individueller Freiheit ihren Ort hatten. Doch ein verkürzter ökonomischer Neoliberalismus hat jene Bänder zwischen
den BürgerInnen zerschnitten, die der klassische politische Liberalismus geknüpft hatte. Um zukunftsfähig zu bleiben, muss sich heute die liberale Gesellschaft ihre wohlverstandene Freiheit gegen ökonomistische Verkürzungen zurückerobern.
»Was bleibt vom Arabischen Frühling?«, fragt Thorsten Hasche rund fünf
einhalb Jahre nach Beginn der ersten Proteste und Aufstände. Um sich der
Vorstellung des Liberalismus im Islam zu nähern, beschreibt der Autor das
liberale Denken im Islam im 19. und 20. Jahrhundert, aber auch vor und nach dem Scheitern des Arabischen Frühlings, um letztlich einen Ausblick auf das
islamische Reformpotenzial in der europäischen Islam-Diaspora zu geben.
Andreas Hess schenkt einem Klassiker der politischen Philosophie besondere Beachtung. Der Autor widmet sich Judith N. Shklars »Liberalismus der
Furcht« und setzt diesen in einen breiten Kontext, in dem er Shklars Theorie als
Scharnier zwischen traditionellem Republikanismus und modernem Liberalismus
skizziert.
In der Verbindung von Ökologie und Liberalismus, das ist Reinhard Loskes These, steckt Musik, die zum Klingen gebracht werden kann. Wie sie ganz konkret auszusehen hat, ist aber nicht unumstritten. Loske zufolge dürfen die Grünen weder zur Partei einer hochgebildeten, gutverdienenden „Öko-Schickeria“ werden noch darauf setzen, einfach eine linke FDP zu sein. Stattdessen plädiert er für eine alternative Konzeption des Ökoliberalismus, die er exemplarisch anhand dreier Themenfelder veranschaulicht.
Nudges sind versteckte Kniffe, die Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungssituationen durch die Vorgabe von Standardoptionen in eine bestimmte Richtung zu »schubsen«.
Auf dieses Konzept sind inzwischen auch politische Entscheidungsträger aufmerksam geworden. In seinem Beitrag diskutiert Tom Mannewitz Legitimität und Illegitimität von »Nudging«.
Er kommt zu dem Schluss: Nudging ist ambivalent. In einigen Fällen kann es die persönliche Autonomie untergraben, in anderen stärken.
In illustrativen Episoden zeigt Karin Priester, wie sehr Korruption und Vetternwirtschaft auch im sozialdemokratischen Lager in Europa seit Jahrzehnten bereits um sich greifen. Auch das, so die Autorin, habe den Verdruss auf politische Eliten und den Aufstieg der Populisten befördert. Gleichwohl sei dies nicht primär ein Problem despotischer Kleptokraten, sondern den „Kollateralschäden des Neoliberalismus“ im Westen und linker Nachfolgeorganisationen kommunistischer Parteien in Osteuropa, die Opportunisten und Karrieristen den Weg geebnet hätten, geschuldet.
Für neue Ansätze der Wissenschaftspolitik und -förderung plädiert im Interview Caspar Hirschi. Das Kriterium „Qualität vor Quantität“ gilt für ihn in vielerlei Hinsicht: für die Bewertung von Publikationen ebenso wie für die Ausbildung von Doktoranden, von denen viele keine Chance auf eine Professur haben werden. Auch dem Vorwurf der Popularisierung von Wissenschaft begegnet Hirschi mit Entschiedenheit: Die besten „Popularisier“ seien in der Regel jene, die sich auch als Spezialisten um ihr Fach verdient gemacht hätten.