Im Gespräch mit INDES ordnet Andreas Rödder die Bedeutung der 1980er Jahre in der bundesdeutschen Geschichte ein, erklärt Unterschiede zu Großbritannien und blickt auf die unterschiedlichen Generationen, die in diesem Transformationsjahrzehnt interagierten.
Dem materiellen Wohlstand der Westdeutschen in den 1980er Jahren entsprachen jedoch nicht Ruhe und Zufriedenheit – im Gegenteil grassierte eine aus vielerlei Quellen gespeiste Angst. Frank Uekötter beleuchtet dieses sozial-mentale Paradoxon und erläutert, wie daraus ein Boom der ökologischen Debatte resultierte.
Das in der Bundesrepublik der 1980er Jahre sinkende Vertrauen in eine gesicherte Zukunft führte zu einem starken Orientierungsbedürfnis, das sich in einem wachsenden Interesse an Geschichte manifestierte. Historikerstreit, Musealisierung und Geschichtswerkstätten sind die Arenen, in denen Etta Grotrian das neue Bedürfnis an Auseinandersetzungen um die Geschichte der Bundrepublik in den 1980er Jahren Revue passieren lässt.
Eine FDP-Jugend, die eine „offene Diktatur des Kapitals in der Form des Faschismus“ im Anmarsch sah, sich auf Parteitagen als „Genossen“ anredete und Sympathien für die „Grüne Liste Umweltschutz“ bekundete: Was in den 1970er Jahren an radikalem Überschuss zu finden war, verschwand – längst anachronistisch geworden – in den 1980er Jahren aus der FDP-Jugend und verkehrte sich ins Gegenteil. Franz Walter über Aufstieg und Fall des Avantgardismus bei den Jungdemokraten und ihren Nachfolgern, den Jungen Liberalen.
In dem reaktionären Klima der 1980er scheint der Feminismus unerwartet zu pausieren. Neben rationalen Karrierefrauen, ruhelosen Einzelkämpferinnen und Margaret Thatchers patriarchalem Führungsstil ist der revolutionäre Geist der vorangegangenen Jahrzehnte schier unauffindbar. Weitet sich der Blick jedoch über die Grenzen eben jener westlichen Welt hinaus, stehen die 1980er sehr wohl für bedeutende Momente des Feminismus. Gayatri Spivak, die Mutter des internationalen postkolonialen Feminismus, spricht lautstark über die Frau im Süden, die es selbst nicht kann. Miriam Nandi zeichnet in ihrem Essay Spivaks zentrale Überlegungen nach und verdeutlicht, wie viel die transnationale Genderforschung den globalen 1980ern verdankt.
In den 1980er Jahren stand der Begriff der Verantwortung im Fokus zahlreicher Debatten. Wo jedoch mit ihm argumentativ operiert wurde, mangelt es an definitorischer Klarheit. Denn bereits seit geraumer Zeit – bis kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts – stellte die Verantwortung lediglich einen metaphysischen Begriff dar, der im Kontext der Debatte um die Willensfreiheit viel genutzt, aber wenig erweitert wurde. Frieder Vogelmann rekonstruiert in seinem Essay nun die historische Moralisierung, Intensivierung und Verallgemeinerung der Verantwortung u.a. anhand der Überlegungen von John Stuart Mill, Benjamin Constant, Max Weber und Hans Jonas. Seine Aufschlüsselung des philosophischen Diskurses erläutert die steigende Dominanz moralischer Verantwortung ab den 1980er Jahren.
Die 1980er Jahre brachten in Lateinamerika den Durchbruch der Demokratie: Zwischen dem Ende der 1970er Jahre und 1989 kehrten sämtliche berüchtigten Militärdiktaturen zu demokratischen Verfassungen zurück. Ganz im Gegensatz zur lateinamerikanischen Tradition des caudillismo haben in den meisten Ländern jedoch nicht einzelne charismatische Führungspersönlichkeiten für den Umschwung gesorgt, sondern die breiten Massen selbst, die immer mehr zu aktiven Protesten übergingen. Und noch eine Entwicklung steht symbolisch für das Jahrzehnt in Lateinamerika: Der Siegeszug des Neoliberalismus, der sich als wirtschaftspolitisches Dogma in vielen Ländern der Region mit Macht durchsetzte. Wie diese beiden Facetten der Entwicklung zusammenhängen und welche Folgen sie mitunter bis heute zeitigen, untersucht Norbert Ahrens.
Die Affäre um Salman Rushdies „Satanische Verse“ setzte 1989 in Großbritannien den Startpunkt einer neuen Auseinandersetzung mit dem multikulturellen Selbstverständnis des Vereinigten Königreiches. Zum ersten Mal traten die muslimischen Einwanderergruppen als nationale Protestbewegung auf den Plan und hier bot sich jungen britischen Muslimen auch die Gelegenheit, mit einer echten oder vermeintlichen Radikalisierung eine eigene muslimische Identität von der unpolitischen Ravekultur der 1980er Jahre abzugrenzen. Nicole Falkenhayner wirft einen Blick auf die Debatte um Rushdie und zeichnet anhand von Romanbeispielen die kulturelle Verarbeitung in Großbritanniens Einwanderergesellschaft nach.
Die 1980er Jahre sind die Geburtsstunde eines Genres innerhalb der Science-Fiction: dem Cyberpunk. In seinem Werkportrait der Genreliteraten Bruce Sterling, John Shirley, Rudy Rucker, Patricia Cadigan und William Gibson zeigt Jöran Klatt die Innovationen, die sich mit diesen Namen verbinden. Hinter ihren Namen verbirgt sich keinesfalls blinde Fantasterei oder ein technikgläubiger Fortschrittsoptimismus. Im Gegenteil: Cyberpunk, das ist die Abkehr von der Science-Fiction in ihrer bisherigen Form, er kündet von einer klugen, wegweisenden und gerade heute hochaktuellen Technikkritik.
In seinem Text über das US-amerikanische Kino der 1980er Jahre bricht Matthias Dell mit der Unterscheidung zwischen avantgardistischem Independentkino und Mainstreamfilm. Sein Portrait unterschiedlicher Filme, wie Robert Aldrichs „...All the Marbles“ mit Peter Falk oder Martin Scorseses „The Color of Money“ mit Tom Cruise und Paul Newman, enthüllt einen entscheidenden ideologischen Turn im amerikanischen Kino: Die Entdeckung des stereotypen Yuppies der 1980er Jahre kündet ebenso von der Ankunft des moralisch abgewerteten „white trash“.
Die Popkultur in den 1980ern: Von wem war das Lied im Radio und was bedeutet es? Eine schier unmögliche Herausforderung, ohne digitale Möglichkeiten herauszufinden, wie genau der Text lautet und von wem er verfasst und vertont wurde. Dennoch gehörte Radiohören in den 1980er Jahren zu den beliebtesten Beschäftigungen nicht nur der Autorin – spiegelte es doch das verwirrend-furchtbar – großartige Gefühl der Jugend wider. Ulrike Sterblich über (amerikanische) Radiomusik, ein Missverständnis mit einem Lied von Morrissey, ihre Jugendzeit und den Traum von der weiten Weit.
Die DDR-Subkultur spielte in den 1980ern gerade in musikalischer Hinsicht eine große Rolle. So schwelte eine Spannung zwischen der Kontrolle des Staatsapparats auf der einen Seite und der Autonomie und künstlerischen Individualität auf der anderen. Die Herausbildung von Subkulturen jenseits des Mainstreams bildete schließlich in den voranschreitenden 1980er Jahren in der Zeit des Zusammenbruchs des totalitären Staatsapparats einen wichtigen Beitrag zur Identitätsbildung und zur politischen Verortung von Kritikerinnen und Kritikern. Jasper A. Friedrich und Fernando Ramos Arenas zeichnen diesen Verlauf mithilfe von soziologischen Erklärungen Bourdieus nach und beschreiben die Vielfalt der Subkulturen in der DDR.
Gerade als viele seiner Themen in den 1980er Jahren brisant wurden, war das „Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt“ bereits geschlossen. Weshalb die Einrichtung nur ein Jahrzehnt Bestand hatte und mit welcher Perspektive eine Nachfolge-Institution geschaffen wurde, erläutert Ariane Leendertz in ihrem Beitrag.
Der Sozialismuskritiker und Dissident Rudolf Bahro führte ein bewegtes Leben, das geprägt war von dem Glauben an „die Befreiung der Menschen“. Seine politische und persönliche Lebensgeschichte schildert Matthias Eckoldt in diesem Portrait. Die Geschichte von Bahro: Einst ein glühender Anhänger der DDR, verwandelt er sich zu ihrem schärfsten Kritiker, der schließlich auch in Westdeutschland bei den Grünen keine politische Heimat fand.
Martin Sabrow beschreibt das Paradigma der Aufarbeitung als einen epochalen Zug unserer Zeit und ihre Beziehung zur Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei tendiere Aufarbeitung in ihrer Gegenwartsorientierung regelmäßig dazu, die für Historiker so entscheidende Grenze zwischen Deskription und Präskription einzureißen. Sabrow stellt eine eigentümliche Nähe zwischen der Vergangenheitsaufarbeitung zur Politik und zum politischen Personal fest und arbeitet einen Widerspruch heraus, zwischen Aussöhnung durch Ehrlichkeit auf der einen und dem Anspruch, die Lehren aus der Geschichte für die Zukunft zu bewahren, auf der anderen Seite. Mit Blick auf die Gegenwart beschreibt Sabrow einen „Aufstieg der Erinnerung zur Pathosformel “, den er mit einem partiellen Platztausch von Zukunft und Vergangenheit als tragende Identitätsressource der Gesellschaft erklärt. Der beschleunigungsbedingte Geborgenheitsverlust werde mit der Ausbildung von Erinnerungsorten kompensiert.
Dass Theodor Eschenburg 1938 an der „Arisierung“ einer Berliner Firma beteiligt gewesen sein soll und somit, wie Hannah Bethke in der vorangegangen Ausgabe der INDES schrieb, eine „Mitverantwortung für die Enteignung des damaligen jüdischen Firmeninhabers Wilhelm Fischbein“ trage, bezweifelt Hans-Joachim Lang in seiner Erwiderung auf Bethke. Lang wolle aufklären, nicht rehabilitieren und fokussiert sodann auf das Leben des jüdischen Unternehmers Wilhelm Fischbein, dessen Schicksal „als Hebel für die Abschaffung des Theodor-Eschenburg-Preises benutzt wurde“, ohne, wie Lang schreibt, „in vollem Umfang erörtert “ worden zu sein. Lang beleuchtet das Unrecht, das der Geschäftsmann Wilhelm Fischbein erfuhr, und gelangt zu dem Schluss: Theodor Eschenburg habe an der „Arisierung“ der Firma Runge & Co. „ebenso wenig Anteil wie am Fortgang und Ende der Lozalit AG“.
Im August 1914, kurz vor der Marneschlacht, suchte der Anthroposoph Rudolf Steiner den Führer der deutschen Armee, Helmuth von Moltke, auf. Das geheime Treffen gab viele Rätsel auf, über seine Wirkung ist viel spekuliert worden – scheiterte doch kurze Zeit später der Feldzug unter der Ägide Moltkes, dem fortan ein großer Anteil an der späteren Weltkriegsniederlage angelastet wurde. Wolfgang Martynkewicz enträtselt den ominösen Kontakt, schildert die unkonventionelle Beziehung zwischen Militär und Anthroposophen und zeigt, welche Rolle der General im esoterischen Gedankengebäude Steiners spielte.
Sie engagieren sich dort, wo man kaum Engagement vermutet: ViertelgestalterInnen in sozial benachteiligten Stadtteilen. Sich um das eigene Umfeld zu kümmern, die vielseitigen Probleme anderer anzuhören und zu lösen helfen, kann dort schnell zu einer aufreibenden Angelegenheit werden. Daher stellt sich die Frage: Weshalb engagieren sich die ViertelgestalterInnen an den Brennpunkten unserer Gesellschaft?