Öffentlich vs. Privat? Religion und Kirche im politischen Raum

Von Thomas Schärtl

Richard Rorty ist als einer der wichtigsten Advokaten der Trennung von Kirche und Staat bekannt geworden. Sein politischer Liberalismus legt nahe, Religion strikt auf den privaten Bereich zurückzudrängen. Rorty verkörpert in dieser Haltung den Geist eines aufgeklärten Intellektualismus, der auch in Europa mit tendenziell liberalen oder linken politischen Selbstzuschreibungen assoziiert wird.[1] Interessant ist, dass Rorty in seinem epochalen Artikel »The Priority of Democracy to Philosophy« auf keinen Geringeren als Thomas Jefferson zu sprechen kommt,[2] der für ihn ein erstes, für die US-Gesellschaft und ihre Verfassungskonformität maßgebliches Vorbild in der Verhältnisbestimmung von Religion und Öffentlichkeit bzw. Kirche und Staat darstellt. Drei Aspekte, die Rorty aufgreift, sind hier von Bedeutung:[3] Erstens hat der religiöse Glaube einzelner Menschen auf der Ebene des Politischen keine eigene Signifikanz, ja er darf sie nicht haben. Zweitens findet Religion demnach nur im Privaten einen genuinen Ort – kann aber dann, sofern sie der persönlichen Selbstvervollkommnung dient, als durchaus wertvoll erachtet werden. Und drittens darf das religiöse Gewissen des Einzelnen nicht mit den öffentlichen Leitvorstellungen auf der Ebene des Politischen in Konflikt geraten. Privater Dissens ist möglich und muss nicht unterbunden werden, ein im Namen der Religion formulierter öffentlicher Dissens dagegen kann die Grundlagen des Staatsgebildes korrodieren. […]

Anmerkungen:

[1] Vgl. Richard Rorty, The Priority of Democracy to Philosophy, in: Merill D. Peterson und Robert C. Vaughan (Hg.), The Virginia Statue for Religious Freedom. Its Evolution and Consequences in American History, Cambridge 1988, S. 257–282.

[2] Vgl. ebd., S. 257 f.

[3] Vgl. ebd.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.&1nbsp;-2017 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2017