Nichts ist, wie es scheint Die Erfindung des modernen Konspirationismus in der Aufklärung

Von Ralf Klausnitzer

Doch auch die Gegenseite ist nicht untätig: Katholische Gegner der Aufklärer observieren den Illuminaten-Orden von Adam Weishaupt, der sich mit jesuitischen Praktiken der Selbst- und Fremderforschung als Speerspitze radikaler Reformen in Szene setzt und als »Staat im Staate« massives Misstrauen weckt. Von »unterirdischen Gängen, Kellern und Cloaken«, welche die gesamte politische Welt unterminierten, schreibt der Weimarer Minister Johann Wolfgang Goethe 1781 an den Züricher Prediger Johann Caspar Lavater; in Eisenach, also in seiner unmittelbaren Nachbarschaft verfasst Ernst August von Göchhausen 1786 seine Enthüllung des Systems der Weltbürgerrepublik und entlarvt in dieser die Zeitgenossen nachhaltig irritierenden Darstellung nicht weniger als das »geheime Laboratorium« für »Römisch-jesuitisch cosmopolitische Zaubertränke«. Als im Juli 1789 die Pariser Bastille gestürmt wird, bestehen keine Zweifel: Hinter der revolutionären Eruption muss ein heimliches Planungszentrum mit überwältigenden Ideen und organisatorischer Logistik stecken. An der nun folgenden Suche nach den verborgenen Ursachen und versteckten Machinationen beteiligen sich der französische Ex-Jesuit Augustin Barruel (dessen vierbändige »Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus« 1797/98 in London und drei Jahre später in Münster veröffentlicht werden) und der schottische Akademie-Professor John Robison (mit der Darstellung »Proofs of a Conspiracy against all Religions and Governments of Europe«), aber auch deutsche Illuminaten-Gegner wie der Theologe Johann August Starck, der mit dem erstmals 1803 erschienenen Werk »Der Triumph der Philosophie im Achtzehnten Jahrhundert« eine konspirationistisch fundierte Ideengeschichte vorlegt, die als  Geschichte der Verschwörung des Rationalismus gegen Religion und Kirche, Fürsten und Staaten mehrfach wiederaufgelegt wird.

Nichts ist, wie es scheint, lautet das Motto dieses modernen Verschwörungsdenkens, das genaue Beobachtungen einer zunehmend undurchschaubaren Sozialwelt mit ungebremster Kombinatorik verbindet und einen kollektiven Verfolgungswahn entwickelt. Die Folgen dieser dunklen Seite der europäischen Aufklärung sind nicht zu unterschätzen. Sie reichen von Geschichtsschreibung und politischer Theoriebildung bis zu Weichenstellungen in Literatur und Wissenschaft. Und sie beeinflussen – wie nicht nur Dan Browns Romane zeigen – nachhaltig noch die heutige Populärkultur.

Capitol SBB XIII oder: Im Untergrund

Nur kurz sei hier an Dan Browns Roman »The Lost Symbol« erinnert. Nachdem Harvard-Professor Robert Langdon unter einem Vorwand in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten gelockt worden ist, macht er in der Rotunde des Capitol eine grausige Entdeckung: Mitten im gewaltigen Kuppelsaal des Kongress-Gebäudes befindet sich die abgetrennte rechte Hand seines Freundes
Peter Solomon, die mit seltsamer Fingerstellung zur Decke deutet. Auf jeder Fingerspitze befindet sich eine Tätowierung: Krone, Stern, Sonne, Laterne, Schlüssel. Zeichen mit mehrfacher Bedeutung: Sie versprechen die Einweihung in Geheimnisse, die nur dem Würdigen zugänglich sind. Warum der aufgereckte Zeigefinger der noch blutigen Hand in die Höhe und also auf Constantino Brumidis Fresko »Die Apotheose Washingtons« (mit der Verwandlung des ersten US-Präsidenten in einen Gott) weist, wird später aufgeklärt. Zunächst gilt es, ein weiteres kryptisches Zeichen zu entziffern, das sich auf Solomons Handfläche befindet. Nach mehreren Anläufen kann es als »SBB XIII« dechiffriert werden; es verweist also auf einen noch unter der Krypta befindlichen Raum im Subbasement (SBB) des Capitol. In dieser nur schwer zugänglichen Kammer tief unter den Fluren, Sälen und Büros der sichtbaren politischen Welt wird Robert Langdon zu jenem geheimen Wissen geführt, das kriminelle Gegner und der Sicherheitsdienst der Vereinigten Staaten für sich beanspruchen.

Dieser Einstieg in die unterirdischen Gänge bildet aber nicht nur den Auftakt weiterer Suchbewegungen. Er demonstriert vielmehr in gleichsam mustergültiger Weise jenes Spannungsverhältnis, das Dan Browns Romane im Einzelnen und verschwörungstheoretische Projektionen überhaupt antreibt: die Differenz zwischen sichtbarer Oberfläche und verborgenem Untergrund. Diese Differenz ist keine Erfindung von Verschwörungstheoretikern. Es gibt sie keimhaft schon in der Trennung von Wesen und Erscheinung, Grund und Folge, Ursache und Wirkung. Doch in den Versuchen zur Erklärung einer zunehmend unübersichtlichen Welt im Zeitalter der Aufklärung gewinnen die Unterstellungen einer tiefgehenden Diskrepanz zwischen Schein und Sein, trügerischer Sichtbarkeit und heimlichem Untergrund eine neue (und bis in die Gegenwart wirksame) Dimension. Sie reagieren auf den Zuwachs von Komplexität in ökonomischen, politischen, wissenschaftlichen Zusammenhängen, indem sie zunehmend undurchschaubare Vorgänge auf koordinierte Aktivitäten heimlich verabredeter Akteure zurückführen. Mit dieser Simplifizierung amorpher bzw. undurchschaubarer Zusammenhänge erlauben sie deren Erklärung und Verarbeitung. Ihren Konvergenzpunkt bildet ein personalistischer Dezessionismus: Verschwörungstheorien unterstellen die Existenz von personalen Subjekten, die eine bestehende Ordnung zur Durchsetzung eigener Interessen umzugestalten suchen oder für die (falsche) Einrichtung der Verhältnisse verantwortlich sind. Zumindest implizit vorhanden sind Bewahrer dieser Ordnung bzw. Retter vor dem Chaos, das beim Sieg der Verschwörer droht.

Verschwörungsszenarien sind also nicht nur in fiktionalen Texten oder Spielfilmen anzutreffen. Sie erscheinen vielgesichtig und erklären Konstellationen und Entwicklungen in sozialen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen etc. Zusammenhängen als Resultat des heimlich verabredeten und koordinierten Handelns der Verschwörer. Beobachtbare Ereignisse und Vorgänge in der sozialen Welt werden als zusammenhängende Phänomene gedeutet und als Wirkungen verborgener Ursachen erklärt; wobei die Intentionen einiger Weniger sowie ihre heimlichen, der Öffentlichkeit bewusst vorenthaltenen Pläne als verborgene Wirkursachen sichtbarer Ereignisse gelten. Ob für die schlechte Einrichtung der Verhältnisse oder für den geplanten Umsturz der bestehenden Ordnung verantwortlich: Koordiniert handelnden Akteuren im konfessions- oder gesellschaftspolitischen Raum (im 18. Jahrhundert etwa Jansenisten, Jesuiten, Illuminaten), im Wissenschaftssystem (wie Franz Anton Mesmer und den Anhängern seiner Lehre vom »animalischen Magnetismus«, den Teilnehmern an der »romantischen Gelehrtenverschwörung« etc.) oder im literarischen Feld werden Planungen sowie Aktionen zur Durchsetzung versteckter Absichten zugeschrieben, indemvon »sichtbaren« Ereignissen und Konstellationen auf »unsichtbare« Verursacher geschlossen wird.

Zur Offenlegung der heimlich verbundenen und koordiniert handelnden Akteure wie zur Mitteilung der konstruierten Komplott-Strukturen bedarf es stets auch einer Beobachterposition, die in konspirationistischen Szenarien auf unterschiedliche Weise präsent ist. In nicht-fiktionalen »Enthüllungsschriften« bzw. historischen Darstellungen agiert ein anonymer, pseudonymer oder namentlich bekannter Autor bzw. Herausgeber, der über angeblich »reale« Verschwörungen informieren will und sich dazu verschiedener Darstellungsformen bedient. Signifikantes Zeugnis für den take-off des modernen Konspirationismus ist das im Jahr 1755 in Paris veröffentlichte Werk »La réalité du projet de Bourg-Fontaine, démontrée par l’exécution« des Jesuiten Henri Michel Sauvage. Es wird 1793 auf Deutsch als »Beweis von der Wirklichkeit der Zusammenkunft in Bourgfontaine« veröffentlicht. Sauvages »Demonstration« sucht einen bereits 1654 veröffentlichten und in den nachfolgenden Jahrzehnten heftig umstrittenen Bericht über einen angeblich 1621 in der Kartause von Bourgfontaine abgehaltenen Geheimkongress von Jansenisten – auf dem ein heimlicher Plan zur Einführung der deistischen Vernunftreligion und zur Abschaffung der Ordensgeistlichkeit verabredet worden sei – durch einen Abgleich mit historischen Tatsachen zu beweisen und kann als ein erstes Zeugnis für die moderne Ausprägung konspirationistischer Kombinatorik gelten. Eine in unterschiedlichen Masken auftretende Autor- bzw. Herausgeberfunktion findet sich auch in explizit als fiktional markierten Texten, die geheime Intrigen insinuieren, um zu unterhalten und ein symbolisches Probehandeln zu ermöglichen. Zugleich bewegen sich in diesen Textwelten Figuren, die in oftmals komplizierten Beziehungen zu geheimen Konspirateuren stehen, die »verkappten« oder »verlarvten« Verschwörer letztlich aber »demaskieren«, »entlarven« oder entdecken können. Adressat ist ein Leser, der durch Nachvollzug der realen oder fiktionalen Geltungsansprüche zur Instanz der Beobachtung und Entlarvung maskierter Konspirateure wird.

Mit dieser durch Personalisierung und Simplifizierung realisierten Komplexitätsreduktion verbinden sich jedoch stets auch Annahmen, die zu einer internen Komplexitätssteigerung führen. Indem die konspirationistische »Mentalität der heimlichen Hand« alle Phänomene der sozialen Welt als Indizien zur Bestätigung der eigenen Vorstellungen identifiziert und einen Beziehungssinn erzeugt, für den alle Elemente und Konstellationen zu Belegen für die vorausgesetzte Verschwörung werden, erweitern sich die erdachten Szenarien zu vielgestaltigen Weltbildern mit gegliederten Strukturen und dichtgesponnenen Verweisungszusammenhängen. In der Welt von Konspirationstheoretikern gibt es nicht nur eine Gruppe von maskiert oder mit falscher Identität auftretenden Verschwörern, sondern zugleich auch die partiell eingeweihten Handlanger und Exekutoren der geheimen Pläne. Gleichzeitig ist stets auch eine »Gegenmacht« präsent, die als einzeln oder in Gruppen agierende Verteidigerin der »Ordnung« ein bestimmtes Wissen um die geheimen Machenschaften besitzt und deren Ziel in der Entlarvung des allumfassenden Komplotts besteht. Resultat der so vollzogenen Ausgestaltung einer personalistischen Weltdeutung ist ein paranoides Weltbild mit universalem Erklärungsanspruch und umfassendem Misstrauen: In der Maximierung der Diskrepanz zwischen täuschendem Anschein und »eigentlicher« Bedeutung avanciert jedes Phänomen der sozialen Welt zum Bestandteil und Indiz eines verborgenen Zusammenhangs, dessen omnipräsente und omnipotente Erzeuger die schlechten Geschicke nach genauem Plan lenken oder den Umsturz der herrschenden Zustände vorbereiten. Rettung kommt allein durch die Enthüllung des bewusst produzierten »Scheins« bzw. durch Beseitigung der »Maske«. Die Komplementärbegriffe »Maske« und »Demaskierung«, »Geheimnis« und »Enthüllung«, »Schein« und »Entschleierung« bilden deshalb den Grundstock aller verschwörungstheoretischen Rhetorik – von der 1784 veröffentlichten »Ersten Warnung« »Ueber Freymaurer, besonders in Bayern« des Joseph Marius Babo über Ernst August von Göchhausens »Enthüllung des Systems der Weltbürgerrepublik« aus dem Jahre 1786 und dem Pamphlet »Les conspirateurs demasqué« des Comte de Ferrand von 1790 bis zu Johann August Starcks bereits erwähnter Ideengeschichte, die den »Philosophen« ein »allgemeines Umwälzungsprojekt« zuschrieb, das diese hinter der nun endlich gelüfteten »Larve der Duldung und der Menschenliebe« verbargen.

Das Prinzip dieser Beobachtung hatte schon der Dichter und Minister Johann Wolfgang Goethe am 22. Juni 1781 gegenüber dem Physiognomiker Johann Caspar Lavater ausgesprochen: »Ich habe Spuren, um nicht zu sagen Nachrichten, von einer großen Masse Lügen, die im Finstern schleicht, von der du noch keine Ahndung zu haben scheinst. Glaube mir, unsere moralische und politische Welt ist mit unterirdischen Gängen, Kellern und Cloaken miniret, wie eine große Stadt zu seyn pflegt, an deren Zusammenhang, und ihrer Bewohnenden Verhältniße wohl niemand denkt und sinnt; nur wird es dem, der davon einige Kundschaft hat, viel begreiflicher, wenn da einmal der Erdboden einstürzt, dort einmal ein Rauch aus einer Schlucht aufsteigt, und hier wunderbare Stimmen gehört werden. Glaube mir, das Unterirdische geht so natürlich zu als das Überirdische, und wer bei Tage und unter freyem Himmel nicht Geister bannt, ruft sie um Mitternacht in keinem Gewölbe.«[4] Dass der berühmte Autor in seinem 1795/96 veröffentlichten Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre« dann detaillierte Informationen über Aufnahmerituale und Beobachtungsverfahren des Illuminatenordens integrieren und die traditionsreiche Gattung des Bildungsromans so mit der Idee einer heimlichen Lenkung menschlicher Geschicke verbinden sollte, gehört in einen Zusammenhang, der an dieser Stelle nicht einmal anzudeuten ist.

Die Eule des Illuminatenordens auf der Ein-Dollar-Note oder:
Im Zeichen-Wahn

Natürlich taucht in Dan Browns Roman auch die bekannteste Banknote der Welt auf. In Kapitel 75 findet sich das Bild der Pyramide mit dem abgehobenen Schlussstein und dem allsehenden Auge abgebildet. Und wie unter Konspirationstheoretikern aller Couleur üblich, werden auch die umgebenden Worte entsprechend gedeutet: Die aus Vergils Epos »Aeneis« entlehnten Worte ANNUIT COEPTIS (lat.: er hat das Begonnene gesegnet) und die gleichfalls Vergil entnommene Phrase vom NOVUS ORDO SECLORUM (neue Ordnung der Zeitalter) ergeben bei Kombination mit dem Davidstern den Begriff M-A-S-O-N (Freimaurer). Wie originell.

Dabei geben nicht nur die ungewöhnliche dreidimensionale Darstellung der dreizehnstufigen Pyramide und die naturalistische Darstellung von Gestrüpp und Unkraut vor ihrer (mit der Jahreszahl MDCCLXXVI, dem Jahr der Gründung des Illuminatenordens, beschrifteten) Basis zu denken. Denn auf der Vorderseite des Geldscheins fällt bei genauer Betrachtung ein Detail auf, das gleichfalls erklärungsbedürftig ist: Links über der schildähnlichen Einfassung der Ziffer 1 unmittelbar neben der zweiten Blattspitze befindet sich das winzige und doch deutlich sichtbare Bild einer Eule, Begleittier der griechischen Göttin Pallas Athene. Und Symbol des im bayrischen Ingolstadt gegründeten Bundes der Perfektibilisten, der zwei Jahre später den Namen »Illuminatenorden« erhalten sollte.

Wie die winzige Eule auf den bekanntesten und am meisten gebrauchten Geldschein der Welt gelangt ist und was sie bedeutet, kann an dieser Stelle nicht ausgebreitet werden. Denn der Hinweis auf dieses Detail hat einen anderen Zweck: Er demonstriert, dass nahezu jeder Bestandteil unserer sozialen Welt zum Indiz für größere Zusammenhänge werden kann – bei entsprechender Aufmerksamkeit und der Bereitschaft, sich auf das Prinzip jenes universalen Misstrauens einzulassen, das Dan Browns Romane wie auch andere Texte und Filme der Populärkultur befeuert. Alles ist Zeichen, lautet das Credo einer solchen tendenziell selektionslosen Aufmerksamkeit, die dann in verschwörungstheoretische Paranoia umschlägt, wenn sie sich mit unkorrigierbaren Überzeugungen von vermeintlichen Bündnissen des Bösen gegen die eigene Position verbindet.

Denn die für Konspirationsszenarien konstitutive Zuschreibung von verborgenen Intentionen, heimlichen Verabredungen und koordinierten Planungen erzeugt und befördert einen Sog, dem man sich zum Teil nur schwer entziehen kann. Trügerische Oberfläche und verborgene Gründe, vorgetäuschtes Tun und tatsächliche Absichten der heimlich verabredeten und koordiniert handelnden Akteure treten in einer Weise auseinander, dass in diesen Projektionen nichts ist, wie es scheint, und nahezu jedes Element der so erzeugten Textwelt zum Träger von Bedeutung(en) werden kann. Ob es sich um die martinistische Chiffre »C – H – R« handelt (die der Mitherausgeber der Berlinischen Monatsschrift Johann Erich Biester in den 1780er Jahren als Signum einer jesuitisch gesteuerten Sammlung der »Catholiques Romains« gedeutet hat) oder um eine Geste von Goethes literarischer Figur Wilhelm Meister, der bei seiner Aufnahme in die »Turmgesellschaft« zum Schutz vor dem blendenden Sonnenlicht die Hand heben muss (und damit ein Initiationsritual des Illuminatenordens nachvollzieht, dem der Autor des Romans angehört hat): In konspirationistischer Perspektive können nahezu alle Attribute von textuell fixierten Welten als bedeutsame Zeichen erscheinen und eine »unbegrenzte Semiose« (Umberto Eco) in Gang setzen. Wenn nichts ist, wie es scheint, erweist sich jedes Detail der sozialen Welt als bedeutungsvolles Indiz, das mit tendenziell selektionsloser Sensibilität wahrgenommen und mit universalem Misstrauen ausgewertet werden muss. Resultat dieser seit der Aufklärung auf innerweltliche Akteure fokussierten und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts intensivierten Beobachtungs- und Deutungsverfahren ist eine kollektive Paranoia, die Immanuel Kant in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht als »besondere Art mit Vernunft zu rasen«[5] bestimmte und deren Folgen sowohl politische Theoriebildung und Geschichtsschreibung als auch das Literatur- und Wissenschaftssystem in noch zu klärender Weise beeinflussten.

Anmerkungen:

[1] Vgl. Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, in: The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, Bd. 2, Oxford 1981, S. 456.

[2] Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Berlinische Monatsschrift vom Dezember 1784, zit. nach Ders., Werke in zwölf Bänden, Bd. 11, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a. M. 1977, S. 53–61, hier S. 53.

[3] Siehe ebd., S. 57 f.

[4] Johann Wolfgang von Goethe an Johann Caspar Lavater. Brief vom 22. Juni 1781, in: Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung: Goethes Briefe, Bd. 5, S. 149 f.

[5] Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht [1798], in: Kant’s
gesammelte Schriften, hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. VII, Berlin 1907, S. 215.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2015 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2015