Verheerende Weichenstellung Die Privatisierung der Deutschen Bahn
Mit 558 Ja-Stimmen, lediglich 13 Gegenstimmen und vier Enthaltungen traf der Deutsche Bundestag am 2. Dezember 1993 eine Schlüsselentscheidung mit weitreichenden Folgen für den bundesdeutschen Bahnverkehr, wenn nicht gar die Zukunft der Mobilität zwischen Flensburg und Passau: die Überführung der Deutschen Bahn (DB) in eine Aktiengesellschaft. Bis auf die nur in Gruppenstärke vertretene PDS-Liste schienen alle Fraktionen die von der FDP vorgetragene Position zu teilen:
»Es ist eine staatliche Aufgabe, für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur zu sorgen. Aber es ist keine originär staatliche Aufgabe, den Transport von Menschen oder Gütern selbst in die Hand zu nehmen. Der Staat ist nun einmal ein miserabler Fahrkartenverkäufer.«[1]
Getrieben von einer historischen Privatisierungseuphorie ging somit am 1. Januar 1994 aus der Bundesbahn in West- und der Reichsbahn in Ostdeutschland die DB AG hervor. Die Überführung der als »kränkelnder Dinosaurier im Schuldenmeer«[2] gebrandmarkten Staatsbahn in eine Aktiengesellschaft mit immer wieder gehegten Börsenambitionen sollte angesichts des schon seinerzeit prognostizierten Verkehrswachstums ein (neues) goldenes Zeitalter des Bahnwesens einläuten. Von den »Fesseln der Behördenstruktur befreit« – wie es der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) ausdrückte –, erhoffte man sich schlichtweg mehr Bahnverkehr in besserer Qualität bei zugleich niedrigeren Preisen und geringeren staatlichen Zuschüssen zwischen Flensburg und Passau. Durch die viel zitierte »Öffnung der Schiene« sollte sich die DB AG fortan im Wettbewerb mit konkurrierenden Eisenbahnunternehmen behaupten, um sich als national carrier zu profilieren.
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[2] Peter Kirnich, Die Bahn ist ein Fass ohne Boden, in: Berliner Zeitung, 06.11.2000, S. 31.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2025 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2025