Die deutsche Demokratie im neuen Krisenzeitalter (I) Von der Stabilität zur Unsicherheit

Von Frank Decker

Die Bundesrepublik Deutschland gilt im mehrheitlichen Urteil der Zeitgeschichtsforschung und Politikwissenschaft zu Recht als »Erfolgsgeschichte«
und »geglückte Demokratie« (Edgar Wolfrum). Dass es nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und dem Zivilisationsbruch des Holocaust gelingen würde, ein rechtsstaatlich fundiertes, demokratisch stabiles und wirtschaftlich wie kulturell prosperierendes Gemeinwesen neu aufzubauen, das
fest in die europäische und westliche Staatengemeinschaft eingebettet ist, hätten die wenigsten vorausgeahnt, als die Bundesrepublik 1949 im Westen des geteilten Landes entstand. Das Gleiche gilt für die vierzig Jahre später vollzogene staatliche Wiedervereinigung mit der vormaligen DDR, die trotz der bis heute fortbestehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden Landesteilen erstaunlich reibungslos verlief.
Sie setzte national wie international einen Schlussstrich unter die »deutsche Frage«. Verglichen mit anderen europäischen Ländern – von den USA ganz
zu schweigen – erscheint die deutsche Demokratie zu Beginn der dritten Dekade des 21. Jahrhunderts weniger fragil und gefährdet, als aufgrund des immensen Veränderungsdrucks, der von innen und außen auf sie einwirkt, vielleicht zu erwarten wäre. Ob und wie lange das auch in Zukunft so bleibt, ist jedoch keineswegs sicher. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022