Die deutsche Demokratie im Krisenzeitalter (II) Corona-Pandemie, Klimawandel, Ukrainekrieg
Der in Heft 1–2/2022 erschienene erste Teil dieses Beitrages hat die Nachkriegszeit bis einschließlich der 1980er Jahre als »Ära der demokratischen Stabilität in Deutschland« charakterisiert, die durch den Dreiklang von gelungener institutioneller Neugründung, Herausbildung einer reifen politischen Kultur und wirtschaftlicher Prosperität bestimmt gewesen sei. Von den 1990er Jahren an sind diese Stabilitätseigenschaften unter wachsenden Druck geraten, wobei die Bundesrepublik – nimmt man etwa die Stärke systemoppositioneller Parteien als Gradmesser – diesem Druck bis zu Beginn der 2010er Jahre besser standhielt als andere vergleichbare Länder. Mit den außenpolitischen Aggressionen des Putin-Regimes in Russland, der anschwellenden Flüchtlingsbewegung aus dem Nahen Osten und Teilen Afrikas sowie der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sollten sich die internationalen Krisentendenzen in den folgenden Jahren nochmals deutlich verschärfen. Dadurch erhöhten sich die Fliehkräfte nicht nur innerhalb der Europäischen Union. Auch die stabilitätsverwöhnte Bundesrepublik sah sich nun immer stärkeren politischen Verwerfungen ausgesetzt, die in der dauerhaften Etablierung einer rechtspopulistischen und EU-feindlichen Partei kulminierten.
Die Corona-Pandemie
Vor diesem Hintergrund traf die demokratische Staatengemeinschaft ein weiteres, völlig unerwartetes Krisenereignis 2020 unvorbereitet und zur Unzeit: die Corona-Pandemie.[1] Das Coronavirus, das sich von seinem Ursprungsort im chinesischen Wuhan ab Januar 2020 rasch über die ganze Welt verbreitete, stellte eine zwar unsichtbare, aber doch manifeste Gefahr dar. Indem sie Gesundheit und Leben der Menschen konkret bedrohte, ließ sich die Seuche weder individuell noch gesellschaftlich-politisch verdrängen. Die klassische Staatsaufgabe der unmittelbaren Gefahrenabwehr wurde dadurch wieder in Erinnerung gerufen.[...]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022