Im Klima der gefühlten Desinformation Verschwörungsglaube in der weltanschaulich-religiösen Gegenwartskultur

Von Matthias Pöhlmann

Der Blick hinter den Vorhang des Weltgeschehens hat Menschen von jeher fasziniert. In einer globalisierten, hochtechnisierten und durch vielerlei Krisenherde erschütterten Welt artikuliert sich das Unbehagen an der Moderne in einem tiefen Misstrauen gegenüber Institutionen und Organisationen in Politik, Wirtschaft, Medien und Religion. Werden Fakten von Interessengruppen bewusst verschleiert oder gar unterdrückt? Wer sind die heimlichen Drahtzieher des Weltgeschehens? Heutiger Verschwörungsglaube speist sich aus unterschiedlichen Quellen und Motiven. In der Literatur wird er charakterisiert als »Verweltlichung eines religiösen Aberglaubens« (K. Popper), als »Paranoia-Haltung« (D. Pipes) oder als Versuch einer Komplexitätsreduktion bzw. als Ausdruck diffuser Ängste. Eine neuere wissenssoziologische Studie definiert Verschwörungstheorien als »eine spezielle Formkategorie sozialen Wissens […], in deren Zentrum Erklärungs- oder Deutungsmodelle stehen, welche aktuelle oder historische Ereignisse, kollektive Erfahrungen oder die Entwicklung einer Gesellschaft insgesamt als Folge einer Verschwörung interpretieren«[1]. Verschwörungstheorien dienen dazu, »menschliches Erleben und Handeln mit Sinn zu versehen«[2]. Damit ist jedoch noch nichts über den Wahrheitsgehalt und die weltanschauliche Einbettung solcher Verschwörungstheorien ausgesagt. Im Folgenden soll hier zwischen Verschwörungsmythen in säkular und religiös bzw. esoterisch motivierten Varianten unterschieden werden. […]

Anmerkungen:

[1] Andreas Anton u. a., Einleitung: Wirklichkeitskonstruktion zwischen Orthodoxie und Heterodoxie – zur Wissenssoziologie von Verschwörungstheorien, in: Dies. (Hg.), Konspiration. Soziologie des Verschwörungsdenkens, Wiesbaden 2014, S. 9–25, hier S. 15.

[2] Ebd.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2015 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2015