Der Siebenjährige Krieg als Zäsur Über militärischen, politischen und gesellschaftlichen Wandel im ersten globalen Konflikt

Von Thomas Klingebiel

Der Siebenjährige Krieg (1756–63) gehört zu den älteren historischen Forschungsfeldern, die nicht leicht zu überblicken sind: Der Umstand, dass der Konflikt in vier Weltteilen sowie unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen ausgetragen wurde, hat eine Regionalisierung und Nationalisierung der Forschung begünstigt. Während die Forschung in den europäischen Ländern aufs Ganze gesehen stagniert,[1] hat die amerikanische Historiografie auch auf diesem Feld die Führungsrolle übernommen. Sie betrachtet den French and Indian War, wie der Konflikt in Nordamerika traditionell genannt wird, allerdings vornehmlich im Kontext der nationalen Geschichte – als Prolog des amerikanischen Revolutionskriegs.[2]

Die Regionalisierung und Spezialisierung der Forschung steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu der an den Buchtiteln der jüngsten Zeit abzulesenden Entwicklung, den Siebenjährigen Krieg als globalen Konflikt oder gar als ersten Weltkrieg zu charakterisieren: Denn der damit suggerierte Eindruck, es handele sich bei dem Siebenjährigen Krieg um eine historische Zäsur, wird konzeptionell nur ansatzweise eingelöst. Stattdessen erweist sich selbst bei den vergleichend angelegten Synthesen, die nur teilweise oder gar nicht auf eigenem Aktenstudium beruhen, immer wieder die Wirkungsmacht der alten Narrative.[3] Besonders hartnäckig hält sich ein Ansatz, der geradezu verbietet, den Siebenjährigen Krieg als Einheit zu betrachten: Man behauptet, dass der Krieg der europäischen Kontinentalmächte mit dem imperialen Überseekrieg zwischen Frankreich und Großbritannien wenig oder nichts zu tun gehabt habe.[4] Das vereinfacht zwar die Darstellung, verhindert aber neue Einsichten und ist obendrein falsch: Die politische und militärische Kooperation zwischen Berlin und London war bis zum Rücktritt des Premierministers William Pitts im Herbst 1761 eng genug, um gemeinsame strategische Konzepte zu verabreden und umzusetzen. […]

Anmerkungen

[1] Vgl. Jeremy Black, Britain as a Military Power. 1688–1815, in: The Journal of Military History, Jg. 64 (2000), S. 159–177; Reed Browning, New Views on the Silesian Wars, in: The Journal of Military History, Jg. 69 (2005), S. 521–534; Walter Mediger u. Thomas Klingebiel, Ferdinand von Braunschweig und die alliierte Armee im Siebenjährigen Krieg, Hannover 2011, S. 33–44.

[2] Den Militärhistorikern, die sich der amerikanischen Revolutionszeit widmen, ist oft nicht bekannt, was die von ihnen behandelten britischen und deutschen Kommandeure in Europa getan und gelernt haben; vgl. Matthew H. Spring, With Zeal and With Bayonets Only. The British Army on Campaign in North America 1775–1783, Norman 2008, S. 142–144; Brent Nosworthy, The Anatomy of Victory. Battle Tactics 1689–1763, New York 1990, S. 190 f.

[3] Vgl. Daniel Baugh, The Global Seven Years War 1754–1763. Britain and France in a Great Power Contest, Harlow 2011; Tim Pocock, Battle for Empire. The Very First World War, London 1998; William Nester, The First Global War, Westport 2000; Mark H. Danley u. Patrick J. Speelman (Hg.), The Seven Years’ War. Global Views, Leiden 2013 (hier Einl. Danleys); vielfach überholt sind die Darstellungen des Siebenjährigen Kriegs bei Frank W. Brecher, Losing a Continent. France’s North America Policy 1753–1763, Westport 1998; Christopher M. Clark, Iron Kingdom: The Rise and Downfall of Prussia. 1600–1947, London 2006; Tim Blanning, Friedrich der Große – König von Preußen, München 2019 (engl. Originalausgabe 2016).

[4] Vgl. Dieter Langewiesche, Der gewaltsame Lehrer. Europas Kriege in der Moderne, München 2019, hier S. 36–48; Franz Szabo, The Seven Years War in Europe. 1756–1763, Harlow 2008, hier S. 16 f.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 2-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019