Editorial

Von Jöran Klatt  /  Matthias Micus

Die Digitalisierung stellt fraglos eine der tiefgreifenden Veränderungen der neueren Geschichte dar. Sie ist omnipräsent, umfasst sämtliche Lebensbereiche. Mit ihren Herausforderungen ist die Gesellschaft ebenso wie die Umwelt, die Politik nicht anders als Wirtschaft und Kultur konfrontiert.

Vor allem Parteien scheinen sich bisher mit den Veränderungen schwer zu tun. Die Digitalisierung von Wahlkämpfen und Parteienkommunikation geht allenfalls zaghaft vonstatten. Im Zeitalter von Internet und der permanenten Beschleunigung sozialer, wirtschaftlicher und auch politischer Prozesse wirken die etablierten Transmissionsriemen zwischen dem Staat und seinen Bürgern auch deshalb oft statisch und unflexibel – zuweilen gar als anachronistische Institutionen.

Gleichzeitig wird die Digitalisierung nicht zuletzt von der Politik selbst vorangetrieben. Verwaltung und Kommunen setzen auf den Ausbau elektronischer Angebote. Erst recht ist die Wirtschaft auf Digitalisierung programmiert – wobei die Verlagerung von Entscheidungen auf Algorithmen und Datenspeicher hier besonders sichtbar auch negative Auswirkungen auf die beteiligten Menschen hat und bisweilen mit ihren (Beschäftigungs-)Interessen frontal kollidiert.

Kurzum: Was macht die Digitalisierung mit der Gesellschaft und den Menschen? Was bedeutet sie für die Arbeitswelt, welche neuen sozialen Verkehrs- und Umgangsformen hat sie bereits hervorgebracht – und welche wahrscheinlichen Effekte und Trends lassen sich aus bisherigen Verlaufspfaden für die Zukunft extrapolieren? Digitalisierung bedeutet dabei zweifellos mehr als die bloße Ausbreitung des Internets oder digitaler Technologien. Vielmehr verändern sich im Verbund mit ihr gewohnte Denkweisen, einst Selbstverständliches erodiert.

Löst sich im Rahmen der Digitalisierung die klassische bürgerliche Vorstellung von Öffentlichkeit und gemeinsamem Leben auf? Prägen wachsende Gruppen der Gesellschaft empirisch belegbar ein internetgeprägtes Dasein aus, in der Gemeinschaften allein virtuell bestehen und Differenzen auszuhalten unnötig geworden erscheint? Welche Kompetenzen muss mitbringen, wer im digitalen Zeitalter mithalten können will? Wohin kann man sich möglicherweise zurückziehen? Schließlich: Welche Enklaven vermag die Gesellschaft vor dem »Sog des Digitalen« (Felix Stalder) zu bewahren und ist dies überhaupt erstrebenswert?

Diesen und anderen Fragen möchten wir uns im vorliegenden Themenschwerpunkt von INDES widmen. Quer zu Politik und Gesellschaft mäandern die verschiedenen Beiträge dieses Hefts dabei immer wieder zwischen der Grenze des scheinbar Klassischen und Althergebrachten auf der einen sowie den Neuerungen, den Herausforderungen und Chancen, welche die Digitalisierung bedeutet, auf der anderen Seite.

Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. -201 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 201