Nationale Sicherheit vs. IT-Sicherheit Ein Kulturkonflikt um die Sicherheit im Digitalen?

Von Matthias Schulze  /  Daniel Voelsen

Sicherheit gilt als eine der zentralen Aufgaben des modernden Staates. Sicherheit ist jedoch kein statisches Konzept. Unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Vorstellungen von Sicherheit handeln immer wieder neu aus, welche Art von Sicherheit der Staat für wen und mit welchen Mitteln gewährleisten soll. Wie weit sollen die Kompetenzen des Staates reichen und wo muss er sich zurücknehmen, um nicht die Freiheit zu schädigen, die er eigentlich schützen soll? Die sozialwissenschaftliche Forschung erfasst diese Auseinandersetzungen um den Sicherheitsbegriff als Konflikte zwischen ›Sicherheitskulturen‹. Sicherheitskultur lässt sich definieren als »die Summe der Überzeugungen, Werte und Praktiken von Institutionen und Individuen bezeichnen, die darüber entscheiden, was als eine Gefahr anzusehen ist und wie und mit welchen Mitteln dieser Gefahr begegnet werden soll.«[1] In pluralistischen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaften ringen die Träger dieser Kulturen, Individuen, Gruppen und Institutionen hier um diskursive Vorherrschaft und politische Gestaltungsmacht. Im Kern geht es dabei um drei Fragen: Wen oder was gilt es zu schützen? Worin besteht die als zentral betrachtete Gefahr? Welche Mittel der Gefahrenabwehr sind notwendig und legitim?

Sichtbar werden diese diskursiven Auseinandersetzungen immer dann, wenn neue Politikfelder entstehen. Eindrücklich zeigt sich dies im Feld der Netz- bzw. Digitalpolitik, wo sich neue Akteurskonstellationen in die politische Gestaltung von Sicherheit einmischen. Traditionelle Akteure der nationalen Sicherheit – Polizei, Militär, Staatsanwaltschaften und Nachrichtendienste – treffen auf neue Akteure aus dem Bereich der IT-Sicherheit – global vernetzte Hackercommunities, IT-Sicherheitsunternehmen und Wissenschaftler. Gegenüber stehen sich hier eine Tradition des Denkens in der Kategorie ›nationaler Sicherheit‹ und die technisch geprägte Sichtweise der IT-Sicherheit.[2][...]

Anmerkungen

[1] Christopher Daase, Sicher­heitskultur. Ein Konzept zur interdisziplinären Erforschung politischen und sozialen Wandels, in: Sicherheit und Frieden, Jg. 29 (2011), S. 59–139, hier S. 61.

[2] Zu dieser Unterscheidung siehe auch Helen Nissenbaum, Where Computer Security Meets National Security, in: Ethics and Information Technology, Jg. 7 (2005), H. 2, S. 61–73.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019