Body Politics Revisited Feminismus und Widerstand

Von Jana Günther

Feminismus und feministischer Aktivismus ist neuerdings wieder in aller Munde. Er – wenngleich eben nicht von dem einen Feminismus oder dem feministischen Widerstand gesprochen werden kann[1] – findet derzeit Eingang in die Debatten des bürgerlichen Feuilletons, in offizielle Parteipolitik sowie in ganz alltägliche Lebenspraxen. Dabei hat sich der Feminismus zu einer wiederentdeckten Galionsfigur für Geschlechtergleichberechtigung, sexuelle Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung, aber auch zum Feindbild à la »Gender-Ideologie« und zu einer – durchaus gut vermarktbaren – Lebensweise und Identifikationskategorie junger erfolgreicher westlicher Frauen der
Mittel- und Oberschicht[2] entwickelt.

Doch was lässt sich zum Widerstandspotenzial und zur Mobilisierungsfähigkeit von Frauen bzw. für feministische Ideen generell sagen? Zunächst: Die Geschichte feministischen Widerstands ist lang. In ihr spiegeln sich kontinuierlich innere und äußere Konflikte, politisch-ideologische Widersprüche sowie das Spannungsverhältnis durch die Reproduktion gesellschaftlicher Machtverhältnisse in der Bewegung selbst wider.

Patriarchat

Die Entstehungsgeschichte moderner Staatsvertragstheorien im 17. und 18. Jahrhundert, und damit einhergehend die Entwicklung westlicher bürgerlicher Gesellschaftsordnungen, ist gezeichnet von einer spezifischen Leerstelle: Ihre politischen Subjekte, die Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit wurden stets durch die »Entgegensetzung zur weiblichen Natur und zur Privatsphäre entlang patriarchaler Kategorien konstituiert«[3]. Die Trennung der öffentlichen zivilen Welt und der privaten, ehelichen bzw. familiären Sphäre war dementsprechend für das moderne Staatswesen eine grundlegende: Die patriarchale Herrschaft der Könige und Väter gegenüber den Söhnen sollte abgelöst werden durch einen brüderlichen Gesellschaftsvertrag[4], der die frei geborenen Söhne von ihren Ketten befreie[5] und sie befähige, in einem Akt der Vernunft einen zivilen politischen Körper zu gebären[6].[…]

Anmerkungen

 

1 Vgl. Melanie Groß, Geschlecht und Widerstand, Königstein/Ts. 2008.

2 Vgl. Mirja Stöcker, Die Sache mit dem F-Wort, in: Dies. (Hg.), Das F-Wort. Feminismus ist sexy, Königstein/Ts. 2005, S. 9–14.

3 Carole Pateman, Der brüderliche Gesellschaftsvertrag, in: Kathrin Braun u.a. (Hg.), Feministische Perspektiven der Politikwissenschaft, München 2000, S. 20–49, hier S. 20.

4 Vgl. Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, Stuttgart 1994, S. 156.

5 Siehe ebd., S. 5.

6 Siehe Pateman, S. 25.

7 John Locke, The Second Treatise on Civil Government, 1986, S. 50.

8 Thomas Hobbes, Leviathan, or The Matter, Forme, & Power of a Common-Wealth Ecclesiasticall and Civill, London 1651, S. 8, S. 162, S. 194 u. S. 207.

9 Rousseau, S. 174 [Hervorh. i.O.]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2017 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2018