Der Hadrianswall Vom Machtsymbol zur Touristenattraktion

Von Constanze Moneke  /  Simon Falke

Saftige Wiesen, sanfte Hügel, eine grüne Landschaft bis an den Horizont. Nur unterbrochen von einer sich auf und ab schlängelnden, halb verfallenen Mauer. Seine Wurzeln fest in das Fundament dieses steinernen Zeugnisses menschlicher Existenz verankert, ein einzelner Baum, dessen mächtige Krone diesen Ort dominiert und ihn für jeden, der das Bild einmal gesehen hat, unvergesslich macht: Das Sycamore Gap, eine Senke in der hügeligen Landschaft zwischen Steelrigg und Housesteads und Standort eines freistehenden Bergahorns, bildet die Kulisse für die langersehnte Heimkehr des Kreuzfahrers Robin von Locksley (Kevin Costner). Die Filmszene aus Kevin Reynolds »Robin Hood – König der Diebe« (1991) verlieh diesem markanten Landschaftsausschnitt im Norden Englands einen einzigartigen Wiedererkennungswert. Die Singularität der Umgebung bietet den Rahmen für eine Schlüsselszene des Spielfi lms. Noch nicht in der väterlichen Burg angekommen, an den Ausläufern der Besitztümer, entzündet sich am Sycamore Gap der Konfl ikt zwischen dem ehrenhaften von Locksley und den skrupellosen Schergen des Sheriffs von Nottingham, welche gerade Jagd auf den jungen Wilderer Wulf (Daniel Newman) machen. Der spätere »König der Diebe« nutzt den Schutz des Steinwalls, um, für die Soldaten unsichtbar, eine geladene Armbrust zu verbergen, behauptet sich trotz ihrer Überzahl im Kampf und rettet das Leben des Jungen. Die Soldaten fordert er drohend auf, sein Land diesseits der Mauer zu verlassen: »Now get off my land!«. Der Steinwall symbolisiert hierfür die Grenze, visualisiert für den Zuschauer ein Innen und ein Außen und kennzeichnet somit, wer Freund und Feind ist. Ganz in der Nähe des Drehortes verläuft die historische Stanegate, eine alte Verbindungsstraße im Grenzgebiet der ehemaligen römischen Provinz Britannia, die bis in das zweite Jahrhundert n. Chr. dessen Reichsgrenze markierte. Abgelöst wurde sie durch eine massive Befestigungsanlage, den Hadrianswall, eine bis in die heutige Zeit sichtbare Grenzmauer des Imperiums, errichtet unter der Herrschaft Kaiser Hadrians (117–138). Zu dem Zeitpunkt, als Robin von Locksley die Eindringlinge von seinem vermeintlichen Grund und Boden verweist und sich dazu der historischen römischen Abgrenzung bedient, existiert der Hadrianswall bereits seit rund eintausend Jahren. Seiner ursprünglich trennenden Funktion schien er noch nicht beraubt. […]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012