Das Ende der RAF Ein gescheitertes identitätspolitisches Projekt

Von Wolfgang Kraushaar

Als am 20. April 1998 bei der Nachrichtenagentur Reuters ein acht Seiten umfassendes Schreiben der RAF eintraf, in dem es ultimativ hieß, »Heute beenden wir dieses Projekt«, herrschte zunächst einmal Ungläubigkeit vor.[1] Der ehemalige BKA-Präsident Horst Herold etwa konnte sich nicht vorstellen, dass die RAF, die einst einen solchen Wert auf ihre antifaschistische Gesinnung gelegt hatte, ausgerechnet an Hitlers Geburtstag von der Bühne abtreten würde.[2] Doch schon bald legte sich das über Jahrzehnte angewachsene Misstrauen und wich der Erleichterung, dass der »Spuk« nun endlich vorüber war. Bei genauerer Lektüre des Papiers, deren Verfasser den Behörden unbekannt geblieben sind, stellte sich bei den ersten Kommentatoren jedoch Verwunderung über die immer noch vorherrschende mentale Starrheit und weiter anhaltende ideologische Verblendung ein. Einerseits war der vielleicht nachvollziehbare Gestus, zwar geschlagen, aber mit erhobenem Haupt den Platz des Geschehens verlassen zu wollen, unübersehbar, andererseits überwogen jedoch Passagen einer ungebrochen phrasenhaften Subjekt- und Befreiungsrhetorik. […]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2015 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2015