Trau, schau, wem Demokratien in der Vertrauenskrise
Um das Leitbild der Demokratie ist es weltweit nicht gut bestellt: Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung von 2024 zeigt, dass der internationale Trend nicht in Richtung Stärkung und Vermehrung liberaler Demokratien weist, sondern dass er eher eine innere und äußere Gefährdung von Demokratien mit sich bringt. Die Zahl der autoritären Staaten steigt weltweit, die Zahl derjenigen Länder, die den Demokratien zugeordnet werden können, nimmt ab.[1]
In den etablierten liberalen Demokratien gärt es an vielen Stellen. Gebannt starren viele Menschen im Westen auf den Ausgang der Wahlen in den USA im November 2024. In diesem Wahlkampf zeichnet sich ab, dass extreme Töne und Äußerungen eine große Bedeutung haben werden. Sehr wahrscheinlich ist eine weitere Radikalisierung, die – unabhängig vom Wahlausgang – tiefe Spuren in der US-amerikanischen Gesellschaft hinterlassen wird. Die USA stellen jedoch keinen singulären Fall unter den etablierten Demokratien dar, in fast allen westlichen Ländern gibt es deutliche rechtspopulistische Tendenzen und immer manifestere radikale Kräfte, die die Demokratien von innen infrage stellen.
Doch warum ist das so? Es ist doch nur zu offensichtlich, dass liberale Demokratien sehr viele positive Eigenschaften in sich vereinen: Sie bieten weitreichende Freiheiten, ihre wirtschaftliche Entwicklung ist die Grundlage für einen Wohlstand, wie er in der Geschichte ohne Vorbild ist, gesellschaftliche Minderheiten bekommen mehr Aufmerksamkeit und Beteiligungschancen als in der Vergangenheit. Dies schätzen auch die Bürgerinnen und Bürger der westlichen Demokratien. Warum führt das weltweite Erstarken von autoritären Regierungen und ihr aggressives außenpolitisches Verhalten nicht zu einer umso überzeugteren Haltung innerhalb der etablierten Demokratien? Warum eint nicht der »äußere Feind« nach innen, warum tun sich gerade in dieser Zeit immer größere Risse auch in den demokratischen Gesellschaften auf? Die Gründe für eine nachhaltige Schwächung der Demokratien zeigen sich erst auf einem zweiten Blick.
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[1] Vgl. Bertelsmann Transformations-Index 2024,tinyurl.com/indes24124a.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024