Strafen statt Resozialisieren? Einblicke in den Haftalltag Werner Pinzners und in die Machtverhältnisse der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel

Von Mona Rudolph

Im Gegensatz zu Werner Pinzners kurzem Leben war die Liste seiner Straftaten lang. Bereits vorbestraft beging er im August 1975 zusammen mit zwei Komplizen einen bewaffneten Raubüberfall, bei dem der Filialleiter eines Supermarkts getötet wurde. Neun Jahre später verübte Pinzner den ersten einer Serie von mutmaßlich fünf Auftragsmorden. Aufgrund dieser Auftragstaten im Hamburger Rotlichtmilieu erhielt er von der Boulevard-Presse den Spitznamen »St. Pauli-Killer« verliehen. Die Morde verschafften ihm zweifelhafte Berühmtheit in den Kreisen der organisierten Kriminalität in Hamburg-St. Pauli, in einer Phase, in der verschiedene Akteure auf der Reeperbahn um die Vorherrschaft über das Rotlichtviertel kämpften. Pinzner erlangte jedoch erst nach seiner Verhaftung im Jahr 1986 landesweite Aufmerksamkeit. Während seiner Vernehmung im Polizeipräsidium Hamburg erschoss er den leitenden Staatsanwalt Wolfgang Bistry, dann seine Ehefrau Jutta und richtete schließlich die Waffe gegen sich selbst. In der Untersuchungshaftanstalt Hamburg sowie in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel war Pinzner ebenfalls mehrfach negativ aufgefallen, wenngleich es sich dabei um verhältnismäßig kleine Delikte handelte: Einen Wärter nannte er ein »altes Schwein«, einem Mithäftling ließ er dreizehn Pakete Tabak zukommen, er handelte mit Valium-Tabletten sowie Haschisch und schmuggelte ein sogenanntes Nunchaku, eine asiatische Schlagwaffe, im juristischen Jargon auch Würgeholz genannt, in seine Zelle.[1]
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[1] Staatsarchiv Hamburg, StAHH, 242-1-II-58, Band 1 [Pinzner, Werner], Bl 34, 57, 58; StAHH, 135-1-VI-1103 [Pinzner, Werner], Bl. 900-6.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.4-2023 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024