Republikschutz und paramilitärische Zivilgesellschaft Das demokratische Dilemma in der Weimarer Republik

Von Franz Walter

Kaum ein Mensch wird ihn heute noch kennen, selbst die meisten Fachhistorikern nicht: den Deutschen Republikanischen Reichsbund[1] in den Jahren der Weimarer Republik. Diese Vereinigung umfasste keine Massen; ihr gelang es nicht, in der Breite der Gesellschaft, nicht einmal in der Wählerschaft der sie tragenden Parteien Wurzeln zu schlagen. Dabei war alles so schön und logisch ausgedacht. Auf den Veranstaltungen des Reichsbundes flatterten die schwarz-rot-goldenen Fahnen, womit man symbolisch Flagge zeigte gegenüber Monarchisten, Faschisten und Kommunisten. Auf den Festen und Feiern des Bundes präsentierten die Teilnehmer die Rituale, Bilder, Lieder und Gedichte der Freiheitsbewegungen in Deutschland seit 1848. Und die Initiatoren wie Protagonisten des Bundes kamen tatsächlich aus allen drei Lagern, die sich zum demokratischen Verfassungsstaat (zumindest mehrheitlich) bekannten: etwa Paul Löbe, Carl Severing, Wilhelm Sollmann und Hedwig Wachenheim aus der Sozialdemokratie, dazu – mehrere Jahre als Reichsvorsitzender – Carl Spiecker[2], Joseph Wirth, Heinrich Krone und Joseph Joos von der katholischen Seite sowie Theodor Heuss, Ernst Lemmer und Ludwig Haas von der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), zudem unabhängige linksliberale Publizisten wie Georg Bernhard, Theodor Wolff oder Carl von Ossietzky. Aus gegenwärtiger Perspektive wirkt das wie eine stattliche Riege.

Aber diesen Offizieren der Demokratie fehlten die kämpferischen Infanteristen, ohne die es in den rüden Bataillen auf den Straßen und in den Sälen der Republik wenig zu gewinnen gab. Paul Löbe, langjähriger Präsident des Reichstags, und Ludwig Haas, deutsch-jüdischer Linksliberaler aus Baden, dort zwischenzeitlich Innenminister, ab 1920 Reichstagsabgeordneter und zuletzt Fraktionsvorsitzender der DDP, unternahmen allerlei Anstrengungen, die republikanische Staatsgesinnung organisatorisch und publizistisch über den Reichsbund voranzutreiben. 1926 schufen sie, gewissermaßen als Dachverband der verschiedensten demokratischen Gruppen und Grüppchen, die Republikanische Union; im Jahr darauf ließen sie ein Zeitschriftenorgan für die Union folgen, das unter dem Titel Deutsche Republik erschien.
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[1] Vgl. hierzu Sebastian Elsbach, Deutscher Republikanischer Reichsbund, 06.02.2020, tinyurl.com/indes24126a.[2] Vgl. Kurt Düwell, „Spiecker, Carl“, in: Neue Deutsche Biographie, 24 (2010), S. 677–678, tinyurl.com/indes24126b.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024