Nordische Wendemanöver Sicherheitspolitische Paradigmenwechsel zwischen Kopenhagen und Helsinki

Von Tobias Etzold

Finnland und Schweden haben Mitte Mai 2022 ihre Anträge auf Beitritt zur Nordatlantischen Vertragsorganisation (NATO) eingereicht und sind während des NATO-Gipfels in Madrid Ende Juni formell zum Beitritt eingeladen worden. Dänemark hat sich Anfang Juni für eine engere sicherheitspolitische Anbindung an die Europäische Union (EU) entschieden. Aus der bisher uneinheitlichen und komplizierten sicherheitspolitischen Landschaft erwächst ein kohärenteres Muster. Dänemark, Island und Norwegen zählen zu den Gründungsmitgliedern der NATO, Finnland und Schweden blieben aus geostrategischen Gründen bislang außen vor. Norwegen und Island gehören nicht der EU an, sind aber über den Europäischen Wirtschaftsraum eng an sie gebunden. Dänemark nahm bislang aufgrund eines Vorbehalts nicht an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU teil, während sich Norwegen als Nichtmitglied an militärischen EU-Missionen beteiligt. Zwar waren Finnland und Schweden auf Basis von Kooperationsabkommen näher an die NATO herangerückt und hatten die nordischen Länder ihre verteidigungspolitische Zusammenarbeit seit der russischen Annexion der Krim 2014 verstärkt. Doch die unterschiedlichen Anbindungen und politischen Interessen verhinderten ein noch einheitlicheres Auftreten und eine effektivere Kooperation zugunsten der Sicherheit in der gesamten Region. Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine und einer wachsenden Angst vor russischer Aggression durchlaufen die Länder im Norden Europas ihre eigene sicherheitspolitische Zeitenwende mit umfassenden Anpassungen bisheriger Ausrichtungen und Grundsätze. Dadurch rücken sie nicht zuletzt enger zusammen. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022