Diener des Volkes Eine TV-Serie zwischen satirischer Fiktion und politischer Realität

Von Matthias Schwartz

SELENSKYJ – VOM SCHAUSPIELER ZUM PRÄSIDENTEN

Nach der Invasion russischer Truppen in die Ukraine verkörpert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der westlichen Wahrnehmung die heroische Widerstandskraft seines Landes gegen den russischen Aggressor. Mit Dreitagebart, wohltrainiertem Oberkörper und gekleidet in legerem Militärgrün steht er bei seinen Fernsehauftritten und Ansprachen an die Welt für den unerschütterlichen Willen, das vermeintlich übermächtige russische Militär zurückzuschlagen und Freiheit und Demokratie gegen Wladimirs Putins repressive Autokratie zu verteidigen. Dabei ist er unwillentlich in eine Rolle gerutscht, gegen die er noch zwei Jahre zuvor auf sensationelle Weise einen Wahlkampf gewonnen hatte. Denn es war sein damaliger Opponent, der seinerzeit amtierende Präsident Petro Poroschenko, der sich im Präsidentschaftswahlkampf Anfang 2019 als einzig wahrer Verteidiger der europäischen Werte und als Retter der Ukraine vor dem Präsidenten Russlands inszeniert hatte. Mit der Parole »Armee, Sprache, Glaube« (»Armija, Mowa, Wira«) setzte er auf einen religiös und sprachlich begründeten militanten Nationalismus. Doch die Bevölkerung war des patriotischen Pathos, das nur notdürftig die korrupten Machenschaften und sozialökonomischen Probleme verdeckte, sichtlich überdrüssig. So wurde der Komiker und Schauspieler Selenskyj am 21. April 2019 mit einer überwältigenden Mehrheit von 73 Prozent der Stimmen in der Stichwahl zum Präsidenten der Ukraine gewählt. Bei den anschließenden Parlamentswahlen im Juli 2019 gewann seine Partei Sluha narodu (»Diener des Volkes«) die absolute Mehrheit. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022