Dantes Apokalypse Die göttliche Komödie als literarische Bewältigung einer Zeitenwende

Von Franziska Meier

Angesichts sich häufender Nachrichten von privaten, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Katastrophen, die seit Jahren über uns hereinbrechen, drängen sich uns – vor wie nach der 2022 deklarierten Zeitenwende – zunehmend Worte wie »apokalyptisch« auf, um unser Entsetzen und unsere Ohnmacht auszudrücken. Seuche, Krieg, da muss nur noch einer von vier Reitern reden, damit jedem von uns irgendein apokalyptisches Szenarium vor Augen steht. Diese Motive, vielleicht auch die unheilgeladene Atmosphäre, die auf dem letzten Buch des Neuen Testamentes lastet, haben sich tief in unserem kollektiven Gedächtnis abgelagert, ohne dass wir darum die Offenbarung des Johannes gelesen haben müssten.

Aufgelöst hat sich hingegen die ursprünglich eschatologische Annahme, die Katastrophen müssten Teil eines länger anhaltenden Strafgerichts sein, auf das eine Zeit des Heils – für die Erwählten und Gerechten natürlich – folge. Anders gesagt: Heute sind wir im Sprachumgang mit dem seltsamen Phänomen konfrontiert, dass sich »Apokalypsen« akkumulieren, diese indes nicht länger in einem narrativen, von Gott gefügten Sinnzusammenhang stehen. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022