Faktencheck in der Politik Ein problematischer Problemlöser

Von Philip Larsen

Wer nichts will als die Wahrheit sagen, steht außerhalb des politischen Kampfes.

Hannah Arendt (1969)

Fakes und Faktenchecks[1]

Für den politischen Beobachter der Gegenwart scheint eines unzweifelhaft festzustehen: Die Demokratie gerät weltweit in Schwierigkeiten, das geht aus den täglichen Berichterstattungen in den Medien deutlich hervor. Die Ursachen sind vielfältig, aber eine von ihnen zieht große Aufmerksamkeit auf sich: die Verbreitung von sogenannten falschen Nachrichten und Behauptungen. Mit der Verbreitung von Fakes besteht nämlich die Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre gemeinsame Wahrnehmung der Wirklichkeit verlieren. Aber eben diese macht eine Mindestanforderung für das gemeinsame Vorstellungsvermögen aus, das ein essentieller Motor in der Demokratie ist[2].

Fakes rufen dabei Fragen über objektive Wahrheit in der Politik hervor. Prominente Sachbücher setzen sich intensiv mit den dazugehörigen Fragen auseinander; schon die Titel vieler Neuerscheinungen verraten, dass es heute schlecht um die Wahrheit stehe, wie z. B. The Death of Truth[3] (de. 2019) und Die Wahrheit schafft sich ab[4].

Ein deutliches Merkmal der aktuellen Demokratiekrise ist also, dass die Wahrheit angeblich bedroht ist. Um deswegen die Wahrheit zu verteidigen und zu retten, bestehen viele Autorinnen und Autoren auf häufigen und in­tensiven Faktenchecks[5]. Faktenchecks sollen uns auf der Spur der Wahrheit halten und dazu beitragen, dass die Politik sich aus der derzeitigen Krise herauswinden kann. Die Frage ist natürlich, ob die Politik das mithilfe des Faktenchecks schaffen kann – und wenn ja: wann?

In diesem Beitrag soll es um Fakes, Faktenchecks und Wahrheit gehen. Die Hauptthese lautet, dass Faktenchecks nur in eingegrenzten Fällen mög­lich sind. Im Anschluss daran folgt das Argument, dass Fakten an sich aus einer demokratischen Perspektive nie hinreichend sind.[...]

Anmerkungen

[1] Dr. phil. Nicki B. E. Hansen und Doktoranden Troels Skadhauge danke ich herzlich für, wie stets, besonders anregende und hilfreiche Gespräche.

[2] Sophia Rosenfeld, Democracy and Truth. A Short History, Philadelphia 2019, S. 4.

[3] Michiko Kakutani, The Death of Truth: Notes on Falsehood in the Age of Trump, New York 2018.

[4] Romy Jaster u. Daniel Lanius, Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen, Berlin 2019.

[5] Ebd. S. 97 ff.; Michelle A. Amazeen‚ Revisiting the Epistemology of Fact-Checking’, in: Critical Review Jg. 27 (2014), H. 1, S. 1–22.; Kakutani.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019