Editorial

Von Julia Bleckmann, geb. Kiegeland  /  Jöran Klatt  /  Katharina Rahlf

„Hi Hill, it’s Bill. I just wanted to make sure you don’t forget …, my birthday is coming up, right …“ „Yes, I know, Bill.“ „You know what you’re getting me yet?“ Ein Telefonat zwischen Hillary und Bill Clinton, in dem der ehemalige amerikanische Präsident seine Gattin an seinen bevorstehenden Geburtstag erinnert und den Wunsch nach einem Babyelefanten für den Garten äußert. Nachzuschauen bei Youtube. Ein Possenspiel? Durchaus. Im Verlaufe des Gesprächs kommt Hillary dem Imitator auf die Schliche und bittet „Kevin“, die Geburtstagskarte für ihren Mann zu unterschreiben. Anrufer ist nicht Bill Clinton, sondern der Schauspieler Kevin Spacey. Bloß ein Scherz? Nicht nur.
In der Eingangsszene beklagt sich der Präsident über die langweiligen Sommermonate in Washington und nimmt den Hörer auf mit der Absicht „having some fun with my predecessors“. Diese Stimme gehört Frank Underwood, Protagonist der Serie House of Cards, gespielt von Kevin Spacey – Spacey alias Underwood alias Clinton. Verwirrend? Sicher. Aber diese Verschmelzung zwischen Fiktion und Realität ist charakteristisch für ein derzeit populäres Unterhaltungsformat: „Politikserien“.
Produktionen wie House of Cards, The West Wing und Borgen als sicherlich populärste Beispiele, aber auch The Thick of It, Political Animals oder Secret State – in den letzten Jahren hat die Anzahl aufwendig produzierter „Qualitätsserien“ sichtbar zugenommen. In Zeiten vermeintlicher Politik(er)-verdrossenheit scheinen der Erfolg und die Faszination für Formate, die dezidiert um das Politische kreisen, erstaunlich, jedenfalls begründungswürdig. Schließlich geht es häufig explizit um jene kleinteiligen, routinehaften, kompromissdurchwirkten Prozesse, die im Realen gerne für die grassierende Politikverdrossenheit verantwortlich gemacht werden. In den Serien wird die klassische „Hinterzimmerpolitik“ zwar auch als Hort von Intrigen präsentiert – aber obendrein als notwendiges Element des „Politikmachens“. Kristallisiert sich hier also ein neues „Genre“ heraus? Auf welchen Vorstellungen von politischer Alltagskultur basieren „Politikserien“? Wer guckt sie – und warum? Schließlich: Welchen Effekt haben diese Serien auf die politische Wirklichkeit und umgekehrt? Um diese Fragen geht es in der vorliegenden INDES.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2014 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2014