Zwischen Kyffhäuser und Vogelschiss Rechtspopulisten forcieren ein vergessenes Bild von Angewandter Geschichte

Von Moritz Hoffmann

Seitdem die AfD als Katalysator einer subkutan schon lange existierenden rechtspopulistischen Strömung wirkt, hat sie vor allem auf zwei Themengebieten besondere mediale Aufmerksamkeit erhalten: Die Geflüchteten- und Migrationspolitik als konstituierendes Element rechter Bewegungen ist dabei weniger überraschend als die Erkenntnis, dass sich Präsenz im öffentlichen Diskurs auch im Feld der Geschichtspolitik herstellen lässt. Dies betrifft, wie in den meisten Themenfeldern, versuchte Brüche mit bisherigen bundesrepublikanischen Konsensen – zur Erinnerungskultur an den Holocaust, zum Bild der Wehrmacht oder zu einem militaristisch geprägten Bildder deutsch-französischen Beziehungen.[1]

Wie unvorbereitet die deutsche Öffentlichkeit und Politik auf diese Popularisierung und öffentlichkeitswirksame Verbreitung »geschichtsrevisionistischer« Themen reagiert, zeigt die Fassungslosigkeit über Auftritte wie den von Björn Höcke am 17. Januar 2017 in Dresden oder Alexander Gaulands Forderung nach Stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen am 2. September 2017 beim »Kyffhäusertreffen«. Diese Topoi sind in rechten und rechtsextremen Kreisen nicht neu, sie gehören zum klassischen Spektrum des sogenannten Revisionismus und einer im 21. Jahrhundert zunächst marginalisierten nationalkonservativen Subkultur. Die AfD hat diese Strömungen seit ihrer Gründung aufgenommen und ihre Agenden nach der Trennung vom Euro-kritischen Flügel um Bernd Lucke zunehmend deutlicher artikuliert, sodass weite Teile der nicht mit der AfD sympathisierenden Mehrheitsgesellschaft erstmals mit ihnen konfrontiert wurden.

Diese Äußerungen, sowohl Forderungen zur Geschichtspolitik wie auch einfache historische Bezüge, haben der AfD große öffentliche Aufmerksamkeit beschert, Empörung und Kritik ausgelöst und die Partei und ihre überzeugten Anhänger_innen enger aneinandergebunden. Sie sind neben den realpolitischen Kernthemen der AfD, allen voran der Asyl- und Migrationspolitik, ein Grund dafür, dass die Partei aktuell ein relativ breites Spektrum an rechts der politischen Mitte positionierten Wähler_innen aktivieren kann. Dabei nutzt die Partei gegenüber früheren Etablierungsansätzen rechter Parteien ihre Strategiefähigkeit: Sie erscheint nicht als thematischer Monolith, der nur in einer Sprache und einer Form kommuniziert, sondern deckt ein breites Spektrum ab, das zugleich in einigen Regionen Koalitionsfähigkeit, in anderen Anschluss zum militanten Rechtsextremismus sicherstellen kann.

Gemäß dem eigenen Anspruch, eine »bürgerliche« Partei zu sein und damit die politische Nachfolgerin einer nach links gerückten CDU, fährt die AfD geschichtspolitisch daher auf zwei Gleisen: im Parlament staatstragend, gebildet und inklusiv gegenüber Konservativen, außerparlamentarisch hingegen tabubrechend, simplifizierend und konsolidierend gegenüber der eigenen Basis. […]

Anmerkungen

[1] Mit Dank an Anja Kruke, Meik Woyke, Stefan Müller und Philipp Kufferath für die Diskussion der Ergebnisse und das Schärfen der Kategorien.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019