Umgeben von Feinden Kriegsbedrohung und Ideologie in der israelischen Gesellschaft
Gleich drei ehemalige Generalsstabschefs der israelischen Armee standen bei den jüngsten Wahlen in Israel an der Spitze des sich gegen das Lager des regierenden Premiers Benjamin Netanjahu gebildeten Parteienblocks (Blau-Weiß): Benny Gantz, Moshe (Bogie) Ya’alon und Gabi Ashkenazi. Schon daraus ließ sich ersehen, dass die Rede von einem »Links-Mitte-Block«, als der Blau-Weiß von den Medien weitgehend apostrophiert wurde, hanebüchen war. Selbst wenn man die Kategorie einer sozialen Linken ignoriert – von der in der gesamten israelischen Parteienlandschaft ohnehin kaum noch die Rede sein kann –, muss man feststellen, dass sich die politischen Positionen der blau-weißen Führungsgestalten von denen des amtierenden rechten Regierungschefs kaum unterscheiden: Keiner von ihnen denkt auch nur an eine erneute Ankurbelung der Friedensgespräche mit den Palästinensern, geschweige denn an einen Rückzug aus den besetzten Gebieten und einen damit verbundenen Abbau der Siedlungen im Sinne der Zweistaatenlösung des Konflikts. Als sich Benny Gantz nach wochenlangem Schweigen zum ersten Mal öffentlich dem israelischen Wahlvolk präsentierte, fiel ihm – dem als gemäßigt und unbescholten gepriesenen Neuling in der israelischen Politszene, der den korrupten und verlogenen, einzig auf Macht- und Herrschaftserhalt bedachten Netanjahu stürzen sollte – nichts Besseres ein, als sich damit zu brüsten, im letzten Gazakrieg 1.364 Palästinenser getötet zu haben. Er verschwieg dabei, wie viele Frauen und Kinder darunter waren.
Gantz wusste, was er tat bzw. was er zu tun hatte, wenn er bei der weitgehend rechten, zum Teil auch rechtsextrem ausgerichteten jüdischen Bevölkerung Israels ankommen wollte – er musste sich martialisch gebärden, mithin sein biografisch akkumuliertes militärisches Kapital ausspielen. Nicht unbedingt, weil er sich selbst so sah (es ist nicht auszuschließen, dass er in der Verwendung dieser Rhetorik der Empfehlung seiner Wahlberater folgte), sondern weil er dem als »Mister Sicherheit« zelebrierten (auch selbstbefeierten) amtierenden Premier »in diesem Bereich« Konkurrenz machen wollte. Jeder Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Israel muss entweder selbst eine angesehene Militärvergangenheit oder zumindest einen renommierten General an seiner Seite aufweisen können. Sicherheit und Sicherheitsbewusstsein sind der Lackmustest für den höchsten Rang der israelischen Politik. Wie ist das zu erklären? […]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 2-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019