Abkehr vom Pazifismus Japans sicherheitspolitische Kehrtwende
Im Dezember 2018 legte das Kabinett von Premierminister Abe Shinzô Pläne für eine massive Aufrüstung sowie ein Rekordbudget für Militärausgaben vor. Das Land, das bereits über schlagkräftige Streitkräfte verfügt, ist eigentlich durch Artikel 9 der japanischen Verfassung in seiner Militärpolitik weitgehend eingeschränkt. Dass sich Japan nun zunehmend in einen Widerspruch zu seiner pazifistischen Verfassung begibt, lässt sich zum einen sicherheitspolitisch begründen: Darunter fallen das Erstarken Chinas, Zweifel an der künftigen Verlässlichkeit des US-amerikanischen Bündnispartners sowie die Bedrohung durch die nordkoreanische Diktatur. Die Abkehr Japans vom Pazifismus ist zum anderen jedoch vor allem innenpolitischen Prozessen geschuldet. Sie vollzieht sich vor dem Hintergrund einer soziokulturell-politischen Verschiebung nach rechts seit den 1970er Jahren und in Form einerReihe politischer »Schläge« der liberaldemokratischen Dauerregierungspartei, Jiyuminshuto, kurz LDP, gegen ihre linken und liberalen Gegenspieler, vor allem im Bildungswesen und in den Medien. Aus einem engen »sicherheitspolitischen« Blickwinkel betrachtet mag Japans Remilitarisierung rational erscheinen. Tatsächlich spricht jedoch vieles dafür, dass das ungestüme Vorgehen der konservativ-reaktionären Elite Japans zur Beseitigung des Pazifismus und zur Wiederaufrüstung von irrational-nationalistischen Emotionen geleitet ist.
Verankerung des Pazifimismus nach dem Krieg
Nach Jahrzehnten des Imperialismus und Faschismus bekannte sich Japan nach dem Zweiten Weltkrieg ausdrücklich zum Pazifismus, der in Artikel 9 der neuen demokratischen Verfassung verankert wurde und vorsieht, dass »das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation [verzichtet]« und dass »keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel« unterhalten werden. Obwohl die pazifistische Verfassung von der Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen und in der Folge gegen Revisionspläne verteidigt wurde, zweifeln viele die Tiefe dieser pazifistischen Haltung an: Die einen behaupten, sie sei lediglich eine unreflektierte Reaktion auf die leidvolle Kriegserfahrung der Japaner selbst, wobei die Perspektive der Opfer ignoriert werde; andere wiederum sehen den in der Verfassung verankerten Pazifismus als oberflächliches Ergebnis US-amerikanischen Zwangs – die pazifistische Verfassung sei Japan von den US-Besatzern aufgezwungen worden. […]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 2-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019