Die Herausforderungen neuer Kriegspraktiken Aktuelle Debatten der Moralphilosophie des Krieges
Kriege werden in der Öffentlichkeit häufig sehr kontrovers debattiert, etwa mit Blick auf ihre politische Rolle, die Gewinnchancen der Kontrahenten, die Klugheit der eingesetzten Strategien und Techniken – zumindest gilt dies weltweit für unser gegenwärtiges Zeitalter. Typisch ist, dass moralische Fragen im Zentrum der Debatten stehen: Sind die gebrauchten Mittel der Kriegsführung legitim, ist der Krieg selbst moralisch zu rechtfertigen?[1]
In verschiedenen Disziplinen, in der Theologie, der Politikwissenschaft sowie der Philosophie sind Theorien zur Beurteilung von Kriegen entwickelt worden; für die Gegenwartsdiskussion prägend sind drei Theoriestränge: der Realismus, der Pazifismus und Theorien des gerechten Krieges (TgK). Die Realisten lehnen prinzipiell ab, Kriege moralisch zu bewerten; Pazifisten dagegen bewerten Kriege moralisch, behaupten im Gegensatz zu Theoretiker*innen des gerechten Krieges aber, dass das Ergebnis der Bewertung immer negativ sei, dass Kriege prinzipiell nicht gerecht sein könnten. TgK verurteilen Kriege als im Prinzip moralisch schlecht, rechtfertigen diese aber unter bestimmen Umständen als moralisch richtig: Die Grundidee ist, dass Kriege zur Abwehr von Ungerechtigkeit legitim sein können;[2] so grenzen die TgK sich gegen sogenannte heilige Kriege ab.
Der Realismus bezeichnet eine Familie von Theorien, die eine lange, üblicherweise auf Thukydides zurückgeführte, Tradition hat. Dieser Theoriestrang findet sich heute vornehmlich in der Politikwissenschaft, insbesondere in der Disziplin »Internationale Beziehungen«. […]
Anmerkungen
[1] So auch Michael Walzer, Just and Unjust Wars. A Moral Argument with Historical Illustrations, New York 013.
[2] Für uns hat Gerechtigkeit heute die Konnotation der Gegenseitigkeit, sodass der Titel »gerechter Krieg« unpassend erscheint. Gegenwartsautoren gebrauchen zwar noch den überlieferten Titel, meinen aber »moralisch legitime Kriege« (Walzer) oder »moralisch zu rechtfertigende Kriege« (Johnson).
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 2-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019