Dachau-Nürnberg-Bonn Leben und Karriere des »fliegenden Medizinmanns« Siegfried Ruff

Von Katharina Trittel

Brüche und Kontinuitäten – dieses Begriffspaar, am besten noch mit einem suggestiven Fragezeichen versehen, ist jedem Lektor ein Graus. Zu plakativ, zu konstruiert wirkt der vermeintliche Gegensatz. Indes: Oft verbirgt sich hinter der Etikettierung ein hochinteressantes Phänomen – so auch im Falle der Funktionseliten vor und nach 1945 –, lassen sich in der Regel doch Brüche und Kontinuitätslinien gleichermaßen entdecken.

Natürlich hat insbesondere die Zäsur zweifellos ihren Reiz, gibt sie doch Orientierung und ist prägnanter als eine oftmals verdeckte Kontinuitätslinie, die erst geduldig herauspräpariert werden muss. An Zäsuren bleibt der Blick unweigerlich haften, sie sind, wenn man so will, Cliffhanger der Geschichte, die Fragen nach dem Kommenden aufwerfen.

Darüber dürfen jedoch die Kontinuitäten nicht übersehen werden, vor allem, wo die Akteure selbst diese zu verschleiern suchen, indem sie vermeintliche Zäsuren in den Vordergrund stellen. Dieser Mechanismus ist eine Aufforderung an den Historiker, umso genauer zu eruieren, was Brüche, Zäsuren und Kontinuitäten im Einzelfall bedeuten. Deswegen widmet sich dieser Beitrag am Beispiel des Flugmediziners und Professors Siegfried Ruff dem Phänomen der Elitenkontinuität, mitsamt durchaus vorhandenen Zäsuren, doch ohne nennenswerte biografische Brüche.

Siegfried Ruff wurde 1907 geboren, er studierte Medizin und leitete dann bis 1945 in Berlin an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) eine flugmedizinische Abteilung. Er war Reserveoffizier der Luftwaffe, trat erst im Mai 1937 in die NSDAP ein, blieb aber insgesamt in seinem politischen Engagement unauffällig. Denn was sein Leben bestimmte, war nicht die Politik, sondern das Fliegen. Er selbst war Pilot und Fluglehrer; von seinem Institut aus, welches am Versuchsprogramm »Zur Rettung aus großen Höhen« beteiligt war, wurden 1942 die flugmedizinischen Menschenversuche im KZ Dachau in Auftrag gegeben. Ein solches Leben, das im Kaiserreich begann und erst in den 1980er Jahren der etablierten Bundesrepublik endete, enthält zwangsläufig gravierende Zäsuren. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2018 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2018