Hauptsache, es geht gegen den Islam Über die Rückkehr des Abendlandes
Ausgerechnet in der sächsischen Hauptstadt Dresden nahmen die Kundgebungen der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«, für die das Kürzel »PEGIDA« steht, ihren Ausgang. Dass das erstaunlich ist, weil in der Stadt wie im restlichen Sachsen kaum Muslime leben, darauf ist schon oft hingewiesen worden. Genau so absurd ist aber, dass die »PEGIDA«-Aktivisten im Namen ihrer Bewegung das Wort Abendland tragen und behaupten, dieses zu verteidigen. Denn das Wort Abendland ist religiös konnotiert, und zwar ursprünglich in einem katholisch-konservativen Sinne. Doch Sachsen gehört zu den säkularisiertesten und religionsfernsten Regionen Europas, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Wie passt das zusammen?
Als Erbe der religionsfeindlichen DDR gehört in Sachsen nur noch eine kleine Minderheit einer der beiden christlichen Kirchen an. Ein gutes Fünftel ist noch evangelisch getauft – und evangelikale Freikirchen haben immerhin so viel Zulauf, dass manche Beobachter von einem sächsischen Biblebelt sprechen.[1] Doch die große Mehrheit der Menschen in Sachsen – über siebzig Prozent – ist konfessionslos und areligiös, und das gilt auch für die große Mehrheit der »PEGIDA«-Mitläufer. Das Christentum, das sie verteidigen, beschränkt sich auf ein paar Weihnachtslieder, die sie im Winter bisweilen öffentlich intonieren, und die Befürchtung, dass der Dresdener Christstollen in Zukunft nicht mehr so genannt werden dürfe, wie »PEGIDA«-Gründer Lutz Bachmann einmal beklagt hat. Von Bachmann selbst sind aber ebenfalls keine Hinweise auf besondere Frömmigkeit oder Verbundenheit zu christlichen Traditionen überliefert. Im Dezember 2014 erklärte er der Sächsischen Zeitung vielmehr, dass er kürzlich aus der Kirche ausgetreten sei. […]
Anmerkungen:
[1] Vgl. Jennifer Stange, Evangelikale in Sachsen – Ein Bericht, Dresden 2014; Michael Lühmann, Meinungskampf von rechts. Über Ideologie, Programmatik und Netzwerke konservativer Christen, neurechter Medien und der AfD, Dresden 2016.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.&1nbsp;-2017 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2017