Wandel der Protestformen Erleben wir eine neue Kultur des Widerspruchs?
Die Auseinandersetzungen um »Stuttgart 21«, die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken und die Durchführung der Castor-Transporte fanden in den bundesdeutschen Medien eine enorme Beachtung. Zuweilen schien es, als sei mit dem »Wutbürger« eine historisch neue Figur auf die öffentliche Bühne getreten. Angeheizt hat den Hype nicht nur die Art der Proteste, sondern auch eine politische Appell- und Drohungsliteratur mit Titeln wie »Empört Euch« und »Der kommende Aufstand«. Hinzu kommt das Raunen und Staunen über Web 2.0 und die »Generation Facebook«, welcher man die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, aber auch die Besetzung öffentlicher Plätze in Madrid, Manhattan und Frankfurt zu verdanken hätte. Gleichsam aus dem Nichts, so der Eindruck, sei hier eine neue Protestkultur aus der Taufe gehoben worden, die sich fortan immer machtvoller Bahn brechen würde. Während sich für eine Weile das journalistische Jagdfi eber und die Euphorie jugendlicher Netzaktivisten gegenseitig in dem Glauben bestärkten, eine neue Ära des Protests sei angebrochen, ist es nun an der Zeit, eine nüchternere Zwischenbilanz zu ziehen. Jede Frage nach einem möglichen Wandel setzt erstens mindestens zwei Zeitpunkte der Beobachtung voraus. Zweitens ist ein Such- und Vergleichskriterium erforderlich […]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012