Wohnungskampf als Klassenkampf Die Wohnungsfrage im Lichte gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse und ihrer (Dis-)Kontinuitäten

Von Sabine Nuss  /  Lutz Brangsch

Heinrich Zille, der Anfang des 20. Jahrhunderts das ganze Elend des Berliner Proletariats in seinen Zeichnungen dokumentierte, meinte: »Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt.« Die Wohnungsfrage war zu diesem Zeitpunkt schon über hundert Jahre mit der »Arbeiterfrage « und schließlich auch der »sozialen Frage« aufs Engste verknüpft. »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« – diese Losung, 1834 formuliert vom radikal- demokratischen Dichter Georg Büchner in seinem Hessischen Landboten, hatte auch viel mit den Wohnbedingungen und Bedrohungen zu tun, denen die Hütten als Orte des Wohnens ausgesetzt waren. Für Johann Heinrich Wichern, Vorreiter der Einheit von Kirche und Thron auch in der neuen, bürgerlichen Welt, war das Elend in den Vorstädten Hamburgs Anlass für die Schaffung der Diakonie – um so das Proletariat vor der Versuchung des Kommunismus zu schützen. In seiner für die Entstehung des Marxismus bedeutenden Frühschrift »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« untersuchte Friedrich Engels 1845 ausführlich die Auswirkungen der Durchsetzung des kapitalistischen Eigentumsmonopols auf Leben und Sterben der Proletarier im sich industrialisierenden England. Neben die Ausbeutung in der Fabrik tritt die durch den Hauseigentümer. Ein halbes Jahrhundert später stehen die Berliner Mietskasernen für eine nicht weniger brutale Doppelausbeutung. […]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. -2020 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2020