»They must recruit our children« Kinder als argumentative Munition reaktionärer Bewegungen

Von Carlo Brauch

Vor der sogenannten Erfindung der Homosexualität im 19. Jahrhundert implizierte Päderastie, die geläufige Bezeichnung für gleichgeschlechtlichen Sex, auch das Kind-Sein einer der beteiligten Personen. Das sich in diesem Begriff spiegelnde Vorurteil, männlicher gleichgeschlechtlicher Sex sei stets auch Ausdruck einer pädophilen Neigung, zeigte sich auch in den juristischen Überlegungen, wenn etwa der Aufklärer Johann Jakob Cella in seiner Abhandlung über »Unzuchtsverbrechen« gleichgeschlechtlichen Sex lediglich mit dem Begriff der »Knabenschänderei« umschreibt.[1]

Das Kind, so die These dieses Beitrags, ist von der Aufklärung bis heute die rhetorische und argumentative Munition des politischen Puritanismus im Allgemeinen und der antiqueeren Bewegung im Speziellen. Um diese Beobachtung zu illustrieren, werden im Folgenden schlaglichtartig Zeitabschnitte der diskursiven Verarbeitung des Kindes seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vorgestellt und analysiert.

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[1] Johann Jakob Cella, Über Verbrechen und Strafe in Unzuchtsfällen, Saarbrücken 1787, S. 65 ff.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024