Sollten wir weniger Demokratie wagen? Demokratische Selbstzerstörung und das notwendige Übel Politik

Von Martin Beckstein

Demokratie ist eine gute Sache.[1] Wenn Demokratie eine gute Sache ist, dann sollte mehr davon noch besser sein. Diese Logik ist schlicht und bestechend. Der Wert eines Guts erhöht sich mit dessen quantitativer oder qualitativer Zunahme. Allerdings scheint es Ausnahmen zu geben. Jedenfalls besagt ein Sprichwort, dass weniger durchaus mehr sein kann. Aus ästhetischer Perspektive mögen schlichte Formen beispielsweise reizvoller als ornamentübersähte wirken. Doch sollte auch die Demokratie zu den Ausnahmen gehören? Nachdruck wird der Frage durch Willy Brandts berühmte Regierungserklärung von 1969 verliehen. Brandt wollte »mehr Demokratie wagen« – und schätzte eben dadurch Demokratisierung sowohl als ein Gut als auch als ein Wagnis ein. Ein Wagnis ist ein riskantes Unterfangen, es beinhaltet die Gefahr des Scheiterns. Doch wovon hängt es ab, ob ein demokratisches Wagnis reüssiert oder scheitert? Vom Mut der Reformierenden? Von der Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung? Von den konkreten Demokratisierungsvorhaben? Oder von der Demokratie als solcher?
[...]

[1]    Vgl. Yu Keping, Democracy is a good thing, Washington D.C. 2009.

 

Seite ausdrucken

Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-2023 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2023