Schroffer Schlüsselentscheider Scholz? Ambivalenzen am Ampel-Ende
Ein Ende mit Schrecken statt ein Schrecken ohne Ende? So kommentierten manche Medien, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. November 2024 seinen Finanzminister Christian Lindner entlassen hatte, weil dieser den Beschluss einer Haushaltsnotlage verweigert hatte. Da sich kein Koalitionspartner mit einem Rest von Selbstachtung den Hinauswurf eines Ministers – geschweige den des eigenen Parteichefs aus dem wohl wichtigsten Ministerium – gefallen lässt, muss einem politischen Profi wie Scholz klar gewesen sein, dass er damit mittelbar auch das von ihm angeführte Ampel-Bündnis ein knappes Jahr vor dem regulären Wahltermin platzen ließ. War die Aufkündigung der Ampel ein großer Wumms, eine Schlüsselentscheidung von Kanzler Scholz?
»Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden. Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die die Kraft hat, die nötigen Entscheidungen für unser Land zu treffen.«[1] So erläuterte Scholz sein Agieren kurz darauf vor den Kameras. Schloss der Ampel-Bruch mithin einen Möglichkeitsraum auf, der das Schadensrisiko zu mindern und den Nutzen zu mehren versprach (und wenn ja, wessen Risiken und Nutzen – die Deutschlands, jene der eigenen Partei oder Scholz’ persönliche?)? Oder handelte es sich vor dem Hintergrund demoskopischer Damoklesschwertgehänge und Abgesänge um die kampflose Übergabe der Schlüssel zur Macht an die Herausforderer von der Union?[2]
Am klarsten zu beantworten ist die Tragweite des Scholz’schen Showdowns aus Sicht seiner Koalition. In der Chronik eines Regierungsbündnisses stellt dessen Endpunkt stets eine Zäsur dar. Umso mehr gilt dies, wenn ihr vorzeitig und konfliktiv das Ende bereitet wird, insbesondere, da dies in der stabilitätsorientierten Bundesrepublik den Ausnahmefall darstellt. Dass den Ampelmännern und -frauen sonst auch nur eine um zehneinhalb Monate längere Restlaufzeit im Amt geblieben wäre mindert die Intensität des Einschnitts wiederum ein Stück weit. Laut Koalitionsvertrag noch ausstehende Schlüsselentscheidungen unter anderem in der Rentenpolitik wären auch dann angesichts des erkennbar aufgebrachten Vorrats an Gemeinsamkeiten eher nicht mehr zu erwarten gewesen.
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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2025 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2025