Marginalisiert – Prekarisiert – Stigmatisiert Vernachlässigte Blicke auf Arbeiterkinder und Arbeiterkindheiten

Von Dagmar Hoffmann

Der Begriff Arbeiterkind scheint überholt zu sein, ja sich seit längerem abgenutzt zu haben.[1] Vor allem viele junge Menschen wissen mit dieser Zuschreibung nicht viel anzufangen. Gleichwohl wird er in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten relevant gemacht, so zum Beispiel an den Hochschulen und Universitäten oder im Zusammenhang mit Bildungsberichten. So trägt die sich bundesweit engagierende Initiative arbeiterkind.de dazu bei, dass das Bemühen um Anerkennung von Arbeiterkindern in einem ihnen fremden, universitären Umfeld in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Außerdem wird – wo immer es gerade angebracht und strategisch sinnvoll erscheint – die (Selbst-)Deklaration #firstgen (first generation) genutzt. Allerdings betrifft dies eben nur jene, die den Aufstieg aus einem sozial benachteiligten Milieu geschafft haben, beispielsweise als erste ihrer Familie an die Universität zum Studium gegangen sind. Diese Aufsteiger:innen repräsentieren indes nur einen Teil der Arbeiterkinder, deren Probleme in einer sich schnell wandelnden Leistungsgesellschaft durchaus vielschichtiger sind.[2] Wie und ob überhaupt Sozialfiguren wie Arbeiterkinder öffentlich verhandelt werden, lässt sich an ihrem Erscheinen auf politischen und journalistischen Agenden und in korrespondierenden Feldern erkennen.[3] Inwieweit sich die Blicke auf Arbeiterkinder verändert haben und welche Relevanz ihrer sozialen Situation und ihren Problemlagen heute zukommt, soll im Folgenden exploriert werden.

[...]

[1] Vgl. Cathrin Schmiegel, Alles Klasse, in: Zeit Campus, 06.07.2023, tinyurl.com/indes244f1.

[2] Vgl. Margit Stamm (Hg.), Arbeiterkinder und ihre Aufstiegsangst. Probleme und Chancen von jungen Menschen auf dem Weg nach oben, Leverkusen 2019 sowie Barbara Dippelhofer-Stiem, Sind Arbeiterkinder im Studium benachteiligt? Empirische Erkundungen zur schichtspezifischen Sozialisation an der Universität. Weinheim & Basel 2017.

[3] Vgl. Pierre Bourdieu, The Political Field, the Social Science Field, and the Journalistic Field, in: Rodney Benson & Erik Neveu (Hg.), Bourdieu and the Journalistic Field, Cambridge 2005, S. 29–47.

Seite ausdrucken

Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024