Keine Liebe auf den ersten Blick? Die Rolle von Außen- und Sicherheitspolitik im parteipolitischen Wettstreit

Von Ulrich Schlie

Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit. Artikel 21 des Grundgesetzes benennt in seiner nüchternen Formulierung die Rolle der Parteien nur in allgemeiner Form, ohne auszubuchstabieren, was dies im Einzelnen bedeutet. Was aber heißt diese Vorgabe für die Rolle der Parteien auf dem Gebiet der Außenpolitik? Außen- und Sicherheitspolitik ist ihrem Wesen nach in einer parlamentarischen Demokratie wohl dasjenige Feld, das am weitesten dem unmittelbaren Zugriff der Öffentlichkeit entzogen ist.

Gegenstand der Außen- und Sicherheitspolitik sind zunächst Fragen der Macht. Die allgemeinen Tendenzen der Weltpolitik, Machtverschiebungen und der strategische Wandel bestimmen das Verhalten der einzelnen Staaten im internationalen System. Auswärtige Politik bezieht sich auf die Rolle, die ein Land in den Internationalen Beziehungen spielt. Sie muss dabei immer auch die Probleme in den Blick nehmen, die sich daraus im Inneren ergeben. Der amerikanische Politikwissenschaftler Richard Haas hat diese Wechselbeziehung zwischen Innen- und Außenpolitik einmal treffend mit einem Buchtitel auf den Punkt gebracht: »Foreign policy begins at home«.[1]

Die Außen- und Sicherheitspolitik ist ohne die Berücksichtigung der inneren Basis, mit der sie verbunden ist, nicht möglich. Die öffentliche Diskussion von außen- und sicherheitspolitischen Fragen hat immer beide Aspekte im Blick. Wer sich mit den außenpolitischen Erfahrungen und den damit einhergehenden Orientierungen beschäftigt, muss sich deshalb zunächst mit den Maßstäben und mit den politischen Konzepten der Handelnden auseinandersetzen. Bereits an diesem frühen Punkt kommt die Rolle der Parteien in der Außen- und Sicherheitspolitik ins Spiel, denn die Auswahl des politischen Führungspersonals erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland vor allem über die politischen Parteien.
[...]

[1] Richard N. Haas, Foreign Policy Begins at Home. The Case for Putting America’s House in Order, New York 2014.

Seite ausdrucken

Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024