Im Namen des Klimas Klagen für mehr Klimaschutz im demokratischen Rechtsstaat

Von Anna Wenz-Temming

Der menschengemachte Klimawandel wird zunehmend greifbar. Um seine negativen Auswirkungen zu begrenzen, bedarf es entschlossenen politischen Handelns. Zwar existiert heute ein gewachsener Bestand an internationalen und nationalen Klimaschutzregelungen. Immer wieder werden indes Umsetzungslücken sowie Zielunzulänglichkeiten auch der deutschen Klimaschutzpolitik angemahnt.[1] Zugleich wächst das Bewusstsein dafür, dass die politischen Auseinandersetzungen um Klimapolitik vermehrt auch in Form von  sogenannte Klimaklagen geführt werden.[2] Die Datenbank des Sabin Centers zählte im März 2024 weltweit knapp 2.600 Klimaklagen.[3] Zwei Drittel davon wurden seit 2015 erhoben.[4] Klimaklagen richten sich sowohl gegen staatliche Hoheitsträger und ihre Klimaschutzmaßnahmen als auch gegen Unternehmen, die zum Unterlassen klimaschädlichen Handelns und zur Übernahme ihrer historischen Verantwortlichkeiten verpflichtet werden sollen.

Zugleich gilt inzwischen ein Großteil der Klagen als strategische Klimaklagen, die über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Ziele verfolgen. Hinter den Verfahren stehen regelmäßig Klagekollektive aus Individualkläger:innen, Interessenorganisationen und spezialisierten Rechtsanwält:innen.[5] Während mit der Ausbreitung von Klimaklagen auch das wissenschaftliche Interesse gewachsen ist, findet die Analyse zu großen Teilen in der juristischen Literatur statt.[6] Der vorliegende Beitrag legt hingegen aus politikwissenschaftlicher Perspektive zunächst Überlegungen dar, welche Rolle Klimaklagen bei der Bewältigung der Klimakrise im demokratischen Rechtsstaat spielen können. In einem zweiten Schritt wird die Deutung der Klimaklagen im politischen Prozess durch die Kläger:innen und ihre Unterstützer:innen selbst aufgezeigt. Dazu werden die Verfassungsbeschwerden gegen das deutsche Klimaschutzgesetz sowie die Klage eines peruanischen Kleinbauern gegen den Energiekonzern RWE unter die Lupe genommen.
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[1] Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa. Umweltgutachten 2020, Berlin 2020, S. 10, tinyurl.com/indes24121a.

[2] Vgl. IPCC, Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change. Working Group III contribution to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, S. 1377, tinyurl.com/indes24121b.

[3] Vgl. tinyurl.com/indes24121c.

[4] Vgl. Joana Setzer & Catherine Higham, Global Trends in Climate Change Litigation: 2023 Snapshot, S. 11–13, tinyurl.com/indes24121d.

[5] Vgl. ebd., S. 3; zum Konzept strategischer Prozessführung Lisa Hahn, Strategische Prozessführung. Ein Beitrag zur Begriffsklärung, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie, H. 1/2019, S. 5–32.

[6] Überblick zum Forschungsstand bei Jacqueline Peel u. a., Review of Literature on Impacts of Climate Litigation. Report Children’s Investment Fund Foundation, Melbourne 2022.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024