Gefängnispolitik und Repression in El Salvador Von der totalen Institution zur totalitären Versuchung

Von Günther Maihold

»Barberos en huelga« (Friseure im Streik) heißt der Titel einer preisgekrönten Kurzgeschichte der jungen salvadorianischen Autorin Michelle Recinos, die auch Teil ihres neuen Erzählungsbands ist.[1] Darin beschreibt Recinos aus Perspektive eines männlichen Ich-Erzählers tagebuchartig die fortschreitende Welle von Massenverhaftungen junger Menschen in einem benachbarten Viertel wegen ihrer Haartracht. Schließlich kann der Erzähler seinen Stammfriseur nicht mehr auffinden – der sitzt im Gefängnis, ein anderer ist verschwunden. Aber in einem Friseursalon namens »Hope« in der Innenstadt findet er einen Soldaten, der die Köpfe der Kunden im Einheitsschnitt rasiert. »Es ist nur zu deinem Besten«, murmelt der Soldat. Der Erzähler endet mit der Feststellung: »Ich war der Nächste.«
Als die Autorin und ihr Verleger den Band im Juli 2023 auf der internationalen Buchmesse im Nachbarland Guatemala vorstellen wollten, kam es zu einer Intervention des Botschafters von El Salvador, der drohte, die Teilnahme seines Landes an der Messe abzusagen, falls die Buchvorstellung nicht aus dem Programm gestrichen werde. Die Veranstalter knickten tatsächlich ein und die Buchpräsentation fand schließlich außerhalb des offiziellen Programms statt.
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[1] Vgl. Michelle Recinos, Sustancia de hígado, Guatemala-Stadt 2023.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.4-2023 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024