Die COVID-19-Pandemie als Bewährung für die EU

Von Philipp Ther

Möglicherweise wird man die Zeitgeschichte eines Tages in eine Ära vor und eine nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie unterteilen. Schier endlos fühlten sich die Lockdowns an, die Zeit verlangsamte sich. Angst prägte den Alltag, soziale Kontakte galten auf einmal als Gefahr statt als Bereicherung. Verglichen mit der Traumatisierung jener Menschen, die nahe Angehörige, ihren Arbeitsplatz oder ihre gesamte Existenz verloren haben, erscheinen abgesagte Empfänge, Konferenzen oder Geburtstagspartys wiederum als geringer Verlust.
Die UNO und die WHO haben oft genug betont, dass derartige Notlagen nur in einem gemeinsamen globalen Kraftakt bewältigt werden können. Dennoch ist COVID-19 zu einem Wettbewerb der politischen Systeme und Machtblöcke mutiert. Dieser Trend zeichnete sich schon während der ersten Phase der Pandemie im Frühjahr 2020 ab, als es um die Lieferung von einfachen Gesundheitsgütern wie Masken und Einweghandschuhen sowie um die ersten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus ging. Auch die Entwicklung und der Vertrieb von Impfstoffen glich einem Wettrennen, bei dem Russland, China und der Westen gegeneinander antraten. [...]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2022 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2022