Demokratische Politik: Nichts für Kinder? Gründe für und gegen die Ausweitung politischer Teilhabe auf junge Menschen

Von Andreas Busen

Mit dem Demokratieideal hat sich ein grundlegendes Prinzip zur Organisation politischer Gemeinwesen historisch entwickelt und in vielen Staaten der Welt als zentrale Grundlage durchgesetzt, das nicht zuletzt hinsichtlich der Legitimation von Herrschaft sowie des Status der Bürger:innen einen so einfachen wie mutmaßlich eindeutigen Maßstab benennt: Als demokratisch legitim gilt politische Herrschaft nämlich genau dann, wenn die ihr Unterworfenen zugleich auch gleichberechtigt an dieser Herrschaft teilhaben. Selbst dort, wo die Realisierung dieses Anspruchs primär in Form eines allgemeinen Wahlrechts erfolgen soll, ist aber zunächst eine höchst streitbare Frage zu beantworten: Wer hat nämlich Anspruch auf diese gleiche Teilhabe an der politischen Herrschaft, mithin: Wer gehört zum demos?

In historischer Perspektive haben verschiedene, zuvor von der Teilhabe ausgeschlossene Gruppen ebendiese Frage vermittels sozialer und politischer Kämpfe jeweils neu aufgeworfen und erfolgreich gleiche politische Rechte eingefordert. Ein dergestalt kritisches Potenzial entfaltet die Frage nach der Zugehörigkeit zum demos auch in der zeitgenössischen Demokratietheorie, wo sie als sogenanntes boundary problem verhandelt wird und deutlich über den politischen Status quo hinausweisende Perspektiven hervorgebracht hat – etwa nach Bürger:innenrechten für Tiere. Nicht zuletzt wird aber auch gefragt, ob jenseits des formalen Unterworfen-Seins unter nationalstaatlich verfasste demokratische Politik (all subjected) auch das Betroffen-Sein von ebendieser Politik (all affected) einen Anspruch auf Teilhabe begründen könnte. Eine demokratische Legitimation von Grenz- und Migrationspolitik könnte dann etwa erfordern, dass nicht nur die betreffenden Staatsangehörigen, sondern auch relevant betroffene Nicht-Bürger:innen (wie zum Beispiel Geflüchtete) zu beteiligen sind.[1]

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[1] Siehe zum boundary problem in der zeitgenössischen Demokratietheorie Frank Dietrich, Who are the people? Associative freedom and the democratic boundary problem, in: Critical Review of International Social and Political Philosophy, 2023, S. 1–22; zu politischen Rechten von Tieren: Robert Garner, Political representation of animals’ voices, in: Augusto Vitale & Simone Polle (Hg.), Human/Animal relationships in transformation. Scientific, moral and legal perspectives, Cham 2022; und zur Unterscheidung zwischen dem all-subjected- und dem all-affected-Prinzip: Robert Goodin & Gustaf Arrhenius, Enfranchising all subjected. A reconstruction and problematization, in: Politics, Philosophy & Economics, H. 23/2024, S. 125–153.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024